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Nach neun Jahren Schließzeit hat Klaus Albrecht Schröder die Wiener Albertina in ein modernes Museum verwandelt.

TT: Die Albertina war in den letzten Jahren eine einzige große Baustelle.

Schröder: Wahrscheinlich die größte Österreichs. Ich glaube sogar die größte Tiefbaustelle. Denn wir sind 24 Meter tief in die Erde hinunter gegangen. Es gibt nun eine größere unterirdische Albertina als eine oberirdische.

TT: Was ist neu an der Albertina neu?

Schröder: Einmal der 3500 Quadratmeter große Tiefspeicher, ein viergeschoßiges Studiengebäude und eine unterirdisch unter die Bastei hineingebaute Ausstellungshalle.

TT: Werden dort in Zukunft die großen Sonderausstellungen stattfinden?

Schröder: Ja, denn die Albertina war nie als Museum gedacht und schon gar nicht als Ausstellungsgebäude. Die Albertina ist als Wohnpalais für habsburgische Erzherzöge konzipiert, u.a. den namengebenden Erzherzog Albert, dessen Reiterstandbild vor dem alten und nun wieder neuen Haupteingang der Albertina steht.

TT: Was ist durch den Umbau der letzten Jahre mit der Albertina baulich passiert?

Schröder: Alles was rekonstruierbar war, wurde wieder in seinem Urzustand hergestellt. Etwa der Eingang zur Albertina. Renoviert wurden außerdem die historischen Prunkräume, die nun nicht mehr wie in der Vergangenheit für Depots und Studienräume genutzt werden, sondern für Veranstaltungen, die dem historischen Ambiente adäquat sind.

TT: Und die Ausstellungen?

Schröder: Kunst braucht moderne, klimatisierte Räume. Dafür wurden zwei Bereiche geschaffen. Im Palais haben wir zehn jeweils zehn mal zehn Meter große Ausstellungsräume, in denen wir kleinere Formate zeigen, während in der unterirdischen großen Ausstellungshalle wechselnde Ausstellungsarchitekturen eingebaut werden können. Diese Halle ist sehr variabel bespielbar, von der leeren Halle bis zu kleinen Kabinetten.

TT: Ein Museum im üblichen Sinn wird die Albertina aber auch in Zukunft nicht sein.

Schröder: Nein. Und dies aus zwei Gründen. Wir sind und bleiben ein Palais. Zum Zweiten sind wir mit unseren drei großen Sammlungen, der grafischen Sammlung, der Foto- und der Architektursammlung, mit einem Stigma versehen. Wir können keine permanente Schaustellung machen, was an der Lichtempfindlichkeit unserer Objekte liegt. Zeichnungen von Michelangelo und Leonardo oder Aquarelle von Dürer vertragen ganz einfach nur wenig Licht genauso wie die Fotografien von Kühn bis Newton.

TT: Das ist aber auch eine Chance für die Albertina.

Schröder: Unbedingt. Die Denkfaulheit, die bei permanenten Sammlungen so rapid um sich greift, dass man alle zwei Jahre in ein Museum geht und es hängen dieselben Bilder noch immer am selben Platz, das kann bei uns nicht passieren. Wir müssen unser Material in immer neuen intelligenten Zusammenhängen präsentieren.

TT: Wie viele Blätter besitzt die Albertina?

Schröder: Ungefähr eine Million in der grafischen Sammlung und rund 200.000 Fotos. Wir sind aber mit Sicherheit die größte und bedeutendste Grafiksammlung der Welt. Es gibt nur noch zwei, die in der Liga der Albertina mitspielen, das British Museum und das Kupferstichkabinett Berlin.

TT: Wie schaut es mit dem Zeitgenössischen in der Albertina aus?

Schröder: Diesem gilt mein ganz besonderes Interesse. Dabei gilt es den traditionellen Begriff der Grafik als Arbeit auf Papier im heutigen Kontext zu überdenken. Die Kunst selbst hat die Gattungen durchlässig gemacht. Wir dürfen nicht den Fehler machen, einem kunstgewerblichen Begriff der Grafik nachzulaufen, der einfach Vergangenheit ist.

TT: Ihnen geht der Ruf voraus, gern mit großen Namen zu punkten, quotengeil zu sein.

Schröder: Mir Quotenhunger vorzuwerfen, habe ich immer für sehr ungerecht und verkürzend gehalten. Der Rang der Ausstellungen in der Albertina muss aber immer am Rang unserer Sammlungen gemessen werden. Zu Recht erwartet der Besucher, dass er in der Albertina etwa Dürers "Betende Hände" sehen kann. Und ich werde diese Erwartungshaltung gerne erfüllen.

TT: Wiedereröffnet wird die Albertina diesen Freitag mit einer großen Ausstellung von Edvard Munch. Warum Munch und nicht Dürer?

Schröder: Weil Dürer jeder erwartet. Wir würden damit dem Image der Albertina auf fatale Weise nachkommen. Ich will in die Moderne aufbrechen und mit Munch glaube ich einen Dürer durchwegs gleichwertigen Meister gefunden zu haben. Aber als zweite Ausstellung wird im Herbst Dürer kommen.

TT: Was hat der Albertina-Umbau gekostet?

Schröder: Rund 100 Millionen Euro, wovon wir einen beachtlichen Teil über Sponsoren aufgebracht haben. Und auch das ist einmalig in Österreich.



Das Gespräch führte Edith Schlocker
2003-03-11 16:28:54