Salzburger Nachrichten am 05. Dezember 2002 - Bereich: kultur
Mit Vollgas durch die Wand und weiter

Kunstraum Innsbruck: Das grenzüberschreitende Projekt "Plus Ultra"

Unter dem legendären Seefahrts-Motto "Plus Ultra" navigieren zur Zeit zehn zeitgenössische Argonauten, gesteuert von Thomas Feuerstein und Stefan Bidner, in den Avantgarde-Meeren des Innsbrucker Kunstraumes. Was zur Zeit Karls V. entdeckungshungrige Seebären über alle Grenzen trieb, das hat sich heute zu einem "Immer weiter" als Synonym für exzessive Modernität und Gier nach Eroberung neuer Märkte und Territorien, Cyberwelten und Scifi-Szenarien entpuppt. Jenes geschichtsträchtige "Plus Ultra" scheint zum "Nonplusultra" einer egomanischen, "verwestlichten" Gesellschaft zu werden, die sowohl in der Kunst als auch in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Sport, Politik usw. keine Grenzen mehr respektiert und dabei in Datenmeeren und Informationsfluten zu ertrinken droht.

Darüber und darüber hinaus haben sich die internationalen Freibeuter der Kunst in Innsbruck ihre Gedanken gemacht, sie kreativ ausdiskutiert und für ihre Eroberungsfahrten sodann neue Segel gesetzt: rasant, flippig, erotischironisch, aberwitzig, romantisch verbrämt. Aber immer protestschwanger.

Zu einer gigantischen Malmaschine wird etwa die Honda CV Richard Jacksons, die - wie wild mit aggressiven Farben um sich schießend - durch eine Wand des Innsbrucker Kunstraumes jagt, während vor dem Eingangstor der leiernde Singsang eines Muezzin in pünktlichen Intervallen zur Verinnerlichung mahnt und die Frage der Globalisierung anschneidet (Richard Höck/Karin Pernegger). Auch Andreja Kuluncic spielt mit diesem Problem und zerteilt die Riesentorte Welt in verschieden große Stücke. Auf einem Geisterschiff als Lampe segelt man danach hinein in Fred Feuersteins Felsenhöhle, beides von Hans Weigand gestaltet, ruht etwas aus und fasst dabei - leicht irritiert - eine nicht sonderlich abstrakte, dafür übergroße Schamlippen-Skulptur näher ins Auge, die ein grotesk hochgerecktes Penis-Monument schamlos anlächelt (Paul McCarthy).

Ob irritierend oder nicht: zu bestaunen gibt es jede Menge Avantgarde-Kunst. Also: Schiff Ahoi!

HELGA REICHART

Kunstraum Innsbruck, Mo.-Mi. und Fr. von 11-18 Uhr, Do. von 11-20 Uhr, Sa. von 11-17 Uhr; bis 21. Dezember.