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Kultur 

Faszinierendes Gesamtkunstwerk

Das Noh-Theater gastiert im Rahmen der Sugimoto-Ausstellung im Kunsthaus Bregenz

VON ARIANE GRABHER

Bregenz (VN-ag) Bei Kerzenlicht und damit vielleicht sogar authentischer als in Japan selbst konnte man am Donnerstagabend bei der ausverkauften Premiere das Stück "Yashima" des traditionellen japanischen Noh-Theaters im Kunsthaus Bregenz erleben.

Eingebettet in die hieratische Architektur Peter Zumthors und das konzentrierte Zeit-Kontinuum der Ausstellung des japanischen Fotografen Hiroshi Sugimoto bietet sich im KUB noch heute und morgen eine der äußerst raren Gelegenheiten, dieses großartige Ineinander von Schauspiel, Tanz, Poesie und Musik einmal außerhalb Japans zu sehen. Noh bedeutet "Fertigkeit, Können" und Noh-Theater "ist zweifellos die fremdartigste, gleichwohl faszinierendste Form unter den traditionellen japanischen Bühnenkünsten" (Heinz-Dieter Reese, Jap. Kulturinstitut Köln).

Als stilisierte Bühnenkunst, die aus kultischen Tänzen und volkstümlichen Singspielen vor mehr als 600 Jahren entstanden ist, wurde Noh (anders als z. B. das klassische Theater der griechischen Antike) bis heute ohne Unterbrechung in Japan weitergegeben. In früheren Zeiten dem ästhetischen Geschmack, der Würde und Strenge der Samurai sowie dem Hofe des Shogun vorbehalten, ist Noh zwar seit dem Niedergang des Feudalismus einem breiteren Publikum zugänglich geworden, doch zählt der Besuch eines Noh-Theaters heute noch auch im Ursprungsland zu einem Privileg, das nur einer kleinen, elitären Schicht zugänglich ist. Fünf Noh-Schulen gibt es gegenwärtig in Japan, die die rund vierzig Bühnen des Landes regelmaßig bespielen.

Traumvision

Von den etwa 200 Stücken, die bekannt sind, stammen die meisten von Zeami Motokiyo, einem Dichter, Schauspieler und Theoretiker am Übergang des 14. und 15. Jahrhunderts. Zu den exzellentesten Stücken des Meisters zählt "Yashima", das an diesem Abend im KUB aufgeführt wurde und als Traumvision die Ereignissse aus den Vormachtskämpfen der beiden japanischen Adelsgeschlechter Genji (Minamoto) und Heike (Taira) im späten 12. Jahrhundert zur Darstellung bringt. Nach einer kurzen, für das Verständnis des Noh-Theaters und des in "Yashima" dargestellten Heldenepos sehr wichtigen Einführung, vorgetragen von Bruno Felix, betritt das insgesamt 13-köpfige Ensemble um Naohiko Umewaka aus Musikern, Chor und Schauspielern in genau festgelegter, ritualisierter Abfolge die Bühne, begleitet vom Rascheln der wunderschönen Kostüme. Die Bühne wurde, wie die Kerzenhalter auch, von Hiroshi Sugimoto entworfen.

Die Grundstruktur des Stückes "Yashima" ist zwar relativ schnell erzählt - es ist die Geschichte des siegreichen Heerführers der Genji, Minamoto no Yoshitsune, dessen Totenseele einem Priester auf Pilgerreise in Yashima, einem Schauplatz der Kriege, erscheint - aber im Ineinanderfliessen der Zeiten, in den Interferenzen von Wirklichkeit und Traum, dargestellt in sparsamen Aktionen und stilisierten Gesten, zeitlupenhaften Bewegungen, wird das reale Raum- und Zeiterleben immer wieder durchbrochen. Reduziert, ja archaisch in der Konzeption, mit Parallelen in der zen-buddhistischen Meditationspraxis, zeigte sich das Gros der Besucher an diesem außergewöhnlichen Abend zwar beeindruckt von Noh, von der strengen Choreografie, den Kostümen, den Masken und der fremden Klangwelt, die auf sie einbrach.

Doch mit einer Einordnung des Gesehenen und Gehörten tat man sich schwer. Keine lineare Handlung, an der man sich festhalten könnte, die verschiedenen Rollen, in die die Schauspieler schlüpften (besonders der Kyogen als Mime des Zwischenspiels war ein Genuss), das minimalistische Bühnenbild, das mit wenigen Akzenten und fast völlig ohne Requisiten auskommt - der Abend bot einen kleinen Einblick in eine ferne, faszinierende Welt, aus der die Geister der Aufführung heute wie aus einem unwirklichen Traum herüberschauen.

Stimmen zur Aufführung

Bruno Felix, der ehemalige Direktor des Theaters für Vorarlberg, fand es "einfach großartig. Es war eine ganz neue Erfahrung. Sogar bei diesem hochstilisierten Theater merkt man, was Persönlichkeit ausmacht."

Auch fur Naohiko Umewaka, den Hauptdarsteller und Leiter der Theatergruppe, war es ein besonderes Erlebnis, im Kunsthaus aufzutreten: "Wir machen nicht sehr viele Auftritte im Ausland, umso mehr freuen wir uns, hier zu sein und in diesem großartigen Haus zu spielen. Mit dem Kerzenlicht ist eine Atmosphäre entstanden, die das Ganze vielleicht noch authentischer als in Japan macht, wo wir bei elektrischem Licht auftreten."

Wolfgang Laib, Kunstler: "Diese Form der Kunst liegt mir und meinem Werk sehr nahe. Ich habe in Japan schon viele Noh-Theater gesehen, aber das hier heute Abend in dieser Architektur war einfach fantastisch, denn in Japan sind die Bühnenbilder oft viel komplizierter."

Hiroshi Sugimoto, Künstler der aktuellen Ausstellung im Kunsthaus Bregenz und Schöpfer von Bühnenbild und Bühne: "Das Stück in dieser Form aufzuführen wäre vielleicht in Japan gar nicht möglich. Auch ich habe das Noh-Theater heute erstmals bei Kerzenlicht gesehen und bin beeindruckt. Ich finde die hellen, glänzenden Kostüme kommen so viel besser zur Geltung."

Ich habe in Japan schon viele Noh-Theater gesehen, aber das hier heute Abend in dieser Architektur war einfach fantastisch.

KÜNSTLER WOLFGANG LAIB

Ferne faszinierende Welt: Noh-Theater im Kunsthaus Bregenz. (Foto: KUB)

Weitere Aufführungen des Naohiko Umewaka Noh Theaters am 29. und 30. September, jeweils 20.30 Uhr.




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