Jahreskarte bringt Geld und Leben
Museumspolitik. Eine billige Jahreskarte beschert dem Kunsthistorischen Museum Zusatzeinnahmen von einer Million Euro. „Das hat uns überrascht“, sagt Geschäftsführer Paul Frey.
Hedwig kainberger Das Kunsthistorische Museum (KHM) ist mit sieben Standorten und rund 700 Mitarbeitern (auf Vollzeitkräfte umgerechnet rund 430) eines der größten Kulturunternehmen Österreichs. Der 36-jährige Jurist Paul Frey ist seit 2007 kaufmännischer Direktor, davor war er Geschäftsführer beim Österreichischen Postbus. Die SN baten ihn um ein Gespräch.
Wie schlagen sich die ersten beiden Jahre von Sabine Haag als Generaldirektorin des KHM kaufmännisch nieder? Frey: Kaufmännisch waren das erfolgreiche Jahre, vor allem deshalb, weil wir die Jahreskarte eingeführt haben. Damit bekommt man um 29 Euro ein Jahr Zutritt an sieben Standorten in Wien und Innsbruck zu Dauerausstellungen und mehr als 20 Sonderausstellungen pro Jahr.
Seit November 2009 haben wir diese Karte knapp 45.000 Mal verkauft. Was uns besonders freut: Das Produkt ist stabil. Die Verkäufe in einzelnen Monaten 2011 waren um bis zu 15 Prozent höher als in den Vergleichsmonaten 2010.
Ein Einzeleintritt in Kunsthistorisches Museum oder Schatzkammer kostet 12 Euro, in Ambras 10 Euro. Wie kann eine so günstige Jahreskarte ein finanzieller Erfolg werden?
Frey: Unsere Nettoerlöse haben allein infolge der Jahreskarte von 2009 auf 2010 um rund eine Million Euro zugenommen. Die Wiederkäuferquote liegt bei 80 Prozent, momentan sind also an die 30.000 Jahreskarten im Umlauf. Die Zahl der verkauften Einzeltickets ist stabil geblieben. Wir haben also 30.000 Stammkunden gewonnen.
Wie oft nützen die ihre Jahreskarten?
Frey: 60 Prozent der Jahreskarteninhaber kommen vier Mal oder öfter in eines unserer Häuser. Zehn Prozent kommen öfter als elf Mal. Wir haben daher nicht nur einen positiven Einnahmeneffekt, sondern es ist auch gelungen, unsere Museen zu beleben.
Wer kauft typischerweise Jahreskarten?
Frey: Rund zwei Drittel sind Wiener und je 18 Prozent Ausländer sowie Österreicher aus anderen Bundesländern.
Die meisten Kaufentscheidungen fallen spontan an den Museumskassen, offensichtlich infolge des Vergleichs mit dem regulären Eintritt. Und knapp 30 Euro ist noch ein Preis, den man bereit ist, spontan zu zahlen. Hat das Angebot der Jahreskarten einen Verlust an Mitgliedern im Freundesverein des KHM bewirkt? Die Vereinsmitgliedschaft kostet mit 55 Euro fast doppelt so viel.
Frey: Ja, allerdings viel weniger, als wir erwartet hatten. Wir haben nun rund 4000 Mitglieder und sind der stärkste Museumsfreundeverein in Wien. Die Mitglieder nützen nicht nur den freien Eintritt, sondern nehmen auch Anteil am wissenschaftlichen Programm, an Sonderführungen oder Reisen. Viele schätzen dieses Vereinsleben und wechseln daher nicht zur anonymen Jahreskarte. Wie hoch ist der Anteil an ausländischen Touristen in Ihren Museen?
Frey: Das ist standortabhängig. Eine Zahl für alle Museen hat fast keinen Aussagewert. In der Schatzkammer sind 80 Prozent internationales Publikum, 20 Prozent sind lokal. Im Theatermuseum sind die Quoten umgekehrt. Das Haus am Ring hat einen touristischen Anteil von 65 bis 70 Prozent, vor Einführung der Jahreskarte waren es 75 bis 80 Prozent. Das heißt: Es ist uns gelungen, Wienerinnen und Wiener anzulocken.Was ist mit Tirolern, Kärntnern, Oberösterreichern, Salzburgern? Als Bundesmuseum wird das KHM von allen Österreichern gleichermaßen subventioniert.
Frey: Es ist unser stetes Bemühen, Besucher aus anderen Bundesländern zu gewinnen. Allerdings: Alle unsere Museen – außer Schloss Ambras – stehen in Wien. Und Ausstellungen sind eben standortbezogen.
Warum merkt man von diesem „steten Bemühen“ in den Bundesländern nichts?
Frey: Es gibt Einrichtungen wie die Wien-Woche für Schüler. Da kommen viele junge Menschen zu uns, denen wir spezielle Führungen bieten.
Wir haben darüber hinaus einen regen Austausch von Leihgaben und stellen Ausstellungen in den Bundesländern zusammen, zuletzt etwa in der Schallaburg.
Derzeit zeigt das KHM „Kunst der islamischen Welt“ aus der kuwaitischen Sammlung al-Sabah. Warum präsentieren sie fremde Sammlungen? Sie zeigten „Nicotiana“ von Japan Tobacco International und Austria Tabak. Bringt so etwas Geld?
Frey: Wir haben unterschiedliche Kooperationen, sei es über Sponsoren oder über diplomatische Beziehungen.
Wir bekommen viele Angebote, denn jede Sammlung, die im Kunsthistorischen Museum gezeigt wird, erfährt so eine Wertsteigerung. Doch wir sind sehr wählerisch. Letztlich muss es in unser Haus passen. Wir nehmen nichts, was unseren Ansprüchen nicht genügt.
Wie ist das bei der islamischen Kunst?
Frey: Die Al-Fann-Ausstellung ist uns wichtig. Wir sind bekannt als Haus der abendländischen Kunst. Doch alle paar Jahre blicken wir über unseren Tellerrand hinaus und stellen Bezüge zu anderen Kulturen her. 2008 zeigten wir Schätze aus dem Nationalen Palastmuseum von Taiwan sowie „Tutanchamun und die Welt der Pharaonen“. Jetzt haben wir eine prominente islamische Sammlung im Haus, die ist wie eine Schwester zu unserer Kunstkammer.
Klassische Geldquellen eines Museums sind Eintritte und Subvention. Stimmt die Vermutung, dass neue Quellen wie Sponsoring, Events, Vermietung wichtiger werden? Frey: Ja, unsere Erlösseite wird vielfältiger. Die Leistungsabgeltung der öffentlichen Hand entspricht etwa zwei Drittel unseres Jahresbudgets von rund 36 Millionen Euro.
Vom verbleibenden Drittel entfällt die Hälfte auf Eintrittserlöse; ein Viertel sind Einnahmen aus den Shops und ein weiteres Viertel kommt aus Sponsoring, Ausstellungskooperationen, Vermietungen oder drittfinanzierten Forschungsprojekten. Die meisten dieser Positionen hat es vor 20 oder 25 Jahren nicht gegeben.
Unsere Basisabgeltung ist nicht indexiert. Abgesehen von der einmaligen Erhöhung 2009 hilft uns niemand bei den stetigen Kostensteigerungen. Da sind wir auf Ideen angewiesen, die Geld bringen.Welche Investitionen planen Sie? Frey: Unser wichtigstes Projekt ist die Kunst- und Wunderkammer, die Ende 2012 eröffnet werden wird. Da sind wir glücklich über die Zusage von Kulturministerin Claudia Schmied, dieses Projekt überwiegend zu finanzieren. Von den erforderlichen 17 Millionen Euro für die Umsetzung von 2009 bis 2012 trägt der Bund 13,5 Mill.
Wir selbst haben 3,5 Millionen einzubringen, da sind wir momentan kräftig unterwegs, diese Mittel aufzubringen, über Firmenkooperationen, Saalpatenschaften bis hin zu Kleinspenden.
Zudem bauen wir am Stadtrand ein neues Depot um 14 Millionen Euro.
Woher haben Sie so viel Geld dafür? Frey: Überwiegend aus eigener Kraft. Von der öffentlichen Hand bekommen wir 3,5 Mill. Euro über mehrere Jahre verteilt. Einiges haben wir aus Rücklagen. Und wir haben bei der Bundesfinanzierungsagentur 8,5 Mill. Euro Kredit aufgenommen, da kommen uns die Niedrigzinsen entgegen.
Unser jetziges Depot ist gemietet. Wenn wir im Sommer 2011 übersiedeln, schichten wir die Miete in Kreditraten um. Nach 17 Jahren sollte das abgezahlt sein. Wir werden das erste Bundesmuseum, das Eigentümer eines Depots auf eigenem Grund ist. 2009 haben Sie den Shop im KHM umgebaut. Wie hat sich das ausgewirkt?
Frey: Wir haben etwa 500.000 Euro investiert. Und im neuen, freundlichen, hellen Ambiente steigen die Umsätze, von 2009 auf 2010 waren es plus 14 Prozent, ohne dass wir Preise erhöht hätten. Die Leute halten sich länger auf und kaufen mehr.