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Kunstberichte
In Zeiten der Wirtschaftskrise wird das Mieten von Kunst Thema – doch wie viele Mieter werden auch Sammler?

Mit fremden Federn geschmückt

Das Mumok vermietet 
Peter Koglers "Ameise" aus 1991. Foto: Mumok

Das Mumok vermietet Peter Koglers "Ameise" aus 1991. Foto: Mumok

Von Christof Habres

Aufzählung Kunst zwischen Ausstattungsdesign und ernsthafter Auseinandersetzung.
Aufzählung Das Mieten von Kunst birgt steuerliche Vorteile für Unternehmer.
Aufzählung Den Künstlern selbst bringen vermietete Werke nur wenig Geld.

Wien. Als kürzlich internationale Kunstsammler zusammen mit den Masseverwaltern gespannt die Auktion zeitgenössischer Kunst bei Sotheby’s in New York verfolgten, ging es ihnen nicht nur um die hochwertigen Werke. Auch erwarteten sie keinen neuen Auktionsrekord. Sondern die Sammlung der Pleite-Bank Lehman Brothers, die die Wirtschaftskrise im Herbst 2008 auslöste, kam unter den Hammer.

Auktionen von Unternehmenssammlungen verzeichnen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einen Höhenflug. Neben den Lehman Brothers haben die Fluglinie Alitalia, der Tabakkonzern BAT und der Fotokonzern Polaroid ihre Kunstsammlungen versteigert. Zurück bleibt vor allem für ehemalige Mitarbeiter, die durch Pleiten ihren Job verloren haben, die Frage, ob es denn überhaupt notwendig gewesen sei, Geld in Kunst zu investieren. Hätten die Manager diese Millionen nicht besser im Unternehmen belassen?

Mietvertrag für aus Steuern finanzierte Kunst

Nicht unbedingt. Geht man vom Auktionserlös der Sammlung der Lehman Brothers aus, dann handelt es sich für die Konzern-Multis quasi um Kleingeld. Die 12,3 Millionen Dollar, die der Verkauf der Kunstwerke brachte, mögen für Normalverdiener zwar ansehnlich sein. Der Vergleich mit dem Gesamtverlust der Bank von 613 Milliarden Dollar legt aber nahe, dass Lehman in guten Jahren neue Kunstwerke aus der Portokasse zu zahlen pflegte.

Doch was können Betriebe tun, die nicht das Budget für den Ankauf von Bildern oder Skulpturen haben, jedoch die Notwendigkeit sehen, ihre Repräsentationsräume mit hochwertiger zeitgenössischer Kunst auszustatten? Seit einigen Jahren besteht die Möglichkeit, sich Kunstwerke zu mieten. Grundsätzlich bedeutet das, dass nach Abschluss eines regulären Mietvertrages diverse Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern in Büros von Firmen oder sogar im eigenen Wohnzimmer hängen.

Für Privatpersonen in Wien ist es relativ einfach, sich auf diese Art und Weise günstig und auf Zeit mit Kunst zu umgeben. Die Artothek ist eine Einrichtung der Gemeinde Wien. Ihre primäre Aufgabe ist, Werke von in Wien geborenen oder hier lebenden Künstlern anzukaufen – es ist die Sammlung der Stadt. Interessierte können jedoch dort auch Bilder gegen Geld ausleihen, als Service der Stadt an ihre Bürger. Für eine Gebühr von 2,50 Euro pro Bild und Monat inklusive der Versicherung kann man sich also Teile des "Volksvermögens" – der Ankauf wird ja durch Steuergelder finanziert – zu Hause an die Wand hängen, damit leben und Freude an ihm haben. Vier Bilder können auf einmal gemietet werden. Die Mieter wählen die Werke aus einem Katalog aus.

Firmen ist die Möglichkeit, aus Steuergeld angeschaffte Kunst zu mieten, hingegen verwehrt. Sie müssen sich an das Museum moderner Kunst in Wien (Mumok) wenden. Die "Werkvermietung Mumok" vermietet Bilder aus der Sammlung auch an Unternehmen – meist sind es Sponsoren und Unterstützer. Wobei das Museum vorab entscheidet, welche Arbeiten vermietungsfähig sind – abhängig vom restauratorischen Zustand und ihrer Wichtigkeit für die Sammlung des Museums. Die Highlights der Sammlung werden nicht vermietet. Zum einen wegen der enorm hohen Versicherungskosten, die der Mieter zu entrichten hätte, zum anderen weil diese Arbeiten meist für internationale Ausstellungen an andere Museen verliehen werden.

Derzeit habe das Mumok exklusive 45 Arbeiten im Angebot, betont Sprecher Wolfgang Schreiner: "Wir bieten das zwar nicht offensiv an. Aber wenn sich die Ministerien Arbeiten von uns in ihre Büros hängen dürfen, dann soll auch der Steuerzahler diese Möglichkeit haben", räumt er ein.

Großer Aufwand für ein kleines Zusatz-Einkommen

Für die paar 10.000 Euro, die durch die Vermietung jährlich in die stets knappen Kassen des Museums fließen, wird ein großer Aufwand betrieben: Kuratoren recherchieren vor Ort, wie gut die Lüftung und die Heizung arbeiten. Sogar der tägliche Sonneneinfall wird kontrolliert.

Eine weitere Möglichkeit für Firmen, sich Kunst auszuleihen, sind Kunsthändler, die Mietkunst in ihrer Angebotspalette haben. Das Grundprinzip bietet steuertechnische Vorteile: Die Unternehmen können die Mietkosten als Betriebsaufwand geltend machen und somit von der Steuer abschreiben.

Hat ein Unternehmer einen Händler mit einer ergiebigen Auswahl an Arbeiten gefunden, dann wählt er Bilder, Grafiken oder Fotos aus. Man einigt sich auf die Mietdauer, fixiert die Mietkosten und der Versicherungswert wird weitergegeben. Üblicherweise liefert der Kunsthändler die Arbeiten und hängt sie professionell auf – sie sollen schließlich selbst trotz Versicherung nicht schon nach kurzer Zeit von der Wand fallen. Nach Ablauf der Mietdauer wird der Vertrag entweder verlängert, oder aber die Arbeiten kommen wieder zurück ins Lager des Händlers.

Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten? Nicht ganz. In Österreich gibt es nur eine Handvoll Händler, die auf ein eigenes, geeignet umfangreiches Kunstlager zurückgreifen können. Händler ohne diese Kapazitäten müssen sich mit den Künstlern absprechen, falls sie vermieten wollen. Und spätestens hier beginnt es sich zu spießen. Denn nur die wenigsten professionellen Künstler können es sich erlauben, auf einen Teil ihrer Arbeiten über längere Zeit zu verzichten. Zumal die Werke in dieser Zeit "unproduktiv" sind. Das heißt: Sie können nicht verkauft werden, da sie durch den Mietvertrag gebunden sind. Und sie sind nicht in einem Museum ausgestellt, was dem Künstler Renommee bringen und in der Folge den Preis seiner Werke erhöhen würde.

Ein Dilemma, wenn man bedenkt, dass die Mieterträge für ein Bild gerade einmal bei zwischen fünf und acht Prozent des Ankaufswertes pro Jahr liegen und dieser Ertrag mit dem Händler geteilt werden muss. Da kann man sich leicht ausrechnen, was einem bleibt – etwa bei einem Bild im Wert von 10.000 Euro.

Für viele Händler ist Vermietung zudem ein grundsätzliches Problem. Sie wollen nicht vermieten und konzentrieren sich hauptsächlich auf den Verkauf. Denn neben den genannten Umständen ist die Arbeit mit Miet-Kunst nicht zuletzt auch eine Herausforderung an das Feingefühl: Der Händler muss einerseits abschätzen, ob die eine Vermietung sich finanziell auszahlt, und andererseits erkennen können, ob aus einem Mietkunden ein Sammler – sprich Käufer – werden könnte.

Zusätzlich zum Verpacken, Liefern, zur Logistik und Hängung ist der Aufwand also auch bereits im Vorfeld nicht knapp. Zudem muss die Kunst auch vermittelt werden: Firmen-Mitarbeiter müssen als etwaige Betrachter auf gedruckten Tafeln erfahren, welche Bilder denn nun in ihrem Betrieb hängen. Die Hoffnung der Händler ist, dass am Ende der Laufzeit das eine oder andere Bild angekauft wird, weil es gefällt und ans Herz gewachsen ist. Dazu gesellt sich jedoch die Befürchtung, dass Unikate im Zuge der Vermietung beschädigt werden könnten.

Die Erfahrung zeigt, dass auf gemietete Kunstwerke weniger gut aufgepasst wird als auf gekaufte. Vermietet werden daher meist nur weniger hochwertige Werke. Was man jedoch nicht laut sagen darf, denn welcher Künstler verweist schon gerne auf ein "Ladenhüter-Lager"?

Editionen auf hohem künstlerischen Niveau

Einen anderen Weg in der Kunstvermietung geht die Firma Artware. Ende der 1990er-Jahre hat sie mit bekannten Künstlern mehr als 65 handsignierte Grafik-Editionen (vor)produziert. Sie werden zielgerichtet zur Vermietung eingesetzt. Die einheitliche Größe der Bilder und die eingeschränkte Auswahl – es werden keine neuen Editionen mehr produziert – machen diese Art der Kunstmiete vornehmlich zu einem bunten Ausstattungselement für Büros auf teilweise hohem künstlerischen Niveau.

Kunst mieten oder nicht ist eine Frage der Einstellung. Möchte sich ein Unternehmen günstig mit zeitgenössischer Kunst umgeben rein einer hippen Ausstattung wegen, oder haben die Verantwortlichen ein tieferes Interesse und es fehlt bloß am Geld? Im ersten Fall hat die Kunstmiete etwas von Sich-mit-fremden-Federn-schmücken. Im zweiten Fall bedarf es konsequenter Erziehungsarbeit, um einen Kunstmieter in einen Kunstsammler zu verwandeln.



Printausgabe vom Dienstag, 12. Oktober 2010
Online seit: Montag, 11. Oktober 2010 17:58:00

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