Salzburger Nachrichten am 4. März 2006 - Bereich: Kultur
Sichtschutz für den Barockgarten Für "Kontracom06" wird
der Biennale-Teilnehmer Hans Schabus den Eingang zum Mirabellgarten in
einen hölzernen Klang- und Erlebnisraum verwandeln.
MARTIN BEHR WIEN, SALZBURG (SN). Für die Biennale in Venedig hat er 2005 den
ehrwürdigen Hoffmann-Pavillon zu einem stattlichen, labyrinthartig
begehbaren Gebirgsmassiv erweitert, für das Salzburger Projekt
"Kontracom06" wird der Künstler Hans Schabus den Eingang zum
Mirabellgarten temporär neu gestalten. Die barocke Gartenanlage werde durch vertikal angeordnete Bretter einem
Sichtschutz unterzogen, berichtet der in Kärnten geborene 36-jährige
Künstler im SN-Gespräch. Länge und Anzahl der Bretter werden dabei von der
Tonfolge der "Demolirer-Polka" von Johann Strauß bestimmt sein. "Durch
dieses provisorische Element des Verbergens und Versteckens wird das
barocke Ensemble gefasst und räumlich wie zeitlich vom übrigen Stadtraum
getrennt", erklärt Schabus. Lokalisiert wird die Schabus-Arbeit im Eingangsbereich des
Mirabellgartens beim Salzburger Landestheater. Warum er sich ein
klassisches Postkartenmotiv als Standort ausgesucht habe? "Der Garten
liegt außerhalb des Zentrums, er zeichnet sich durch eine spezifische
Eintrittssituation aus, die ich herausarbeiten möchte." Die Anordnung der
Bretter wird dem Rhythmus der aus den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts
stammenden "Demolirer-Polka" entsprechen. Dieses Musikstück war
entstanden, als Wien von Baustellen geprägt war, als das "moderne Wien"
seinen Anfang nahm. Für Hans Schabus ist es von Bedeutung, dass durch
seine Installation eine Art Klangraum entsteht. Allfällige theologische
Interpretationen - der abgeschlossene Garten als Ort des Sündenfalls -
sind durchaus erwünscht.Nadeln setzen in einer hermetischen Stadt Eine
Schabus-Arbeit in Salzburg, ausgerechnet im Mozartjahr? Beim Gedanken an
die vielen "künstlerisch" gestalteten Mozartkugeln im öffentlichen Raum
überkommt den Biennale-Teilnehmer eine "leichte Übelkeit", dennoch freut
er sich auf das "Kontracom"-Vorhaben: "Salzburg ist eine hermetische Stadt
und vielleicht ein willkommener Anlass, um ein paar Nadeln zu setzen.
Akupunktur, auf dass die Bewegungs- und Wahrnehmungsflüsse in der Stadt
herausgefordert werden." Zu Salzburg hat Schabus über das Werk Thomas Bernhards früh einen
"besonderen Bezug" herstellen können. Bei späteren Besuchen habe er einige
Bernhard-Beobachtungen nachvollziehen können. Die innerstädtische
Situation mit Mönchsberg und Festung findet der Verehrer des
Alternative-Country-Helden Will Oldham "sehr aufregend". Kunst im öffentlichen Raum hält der in Wien lebende Kärntner für
außerordentlich wichtig: "Vielleicht ist es der simple Versuch der
Irritation, die im öffentlichen Raum anders funktioniert als im so
genannten Kunstraum." In Zeiten einer immer stärkeren Reglementierung der
Gesellschaft komme dem Element der Irritation, dem Herausführen aus dem
Gewohnten, eine wichtige Rolle zu. Was ihn am öffentlichen Raum reize, sei
das Unvermittelte, das Überraschende, das Missverständliche. Also:
Destabilisierung, Desorientierung der Abläufe im öffentlichen Leben. "Ich
denke mir manchmal, wenn ich nach Hause gehe, dass der Wohnungsschlüssel
nicht mehr passt und das Leben ein anderes ist und ich mich plötzlich auf
der falschen Baustelle befinde", sagt Schabus. Temporäre Kunst im
öffentlichen Raum sei damit vergleichbar: Der Schlüssel passt nicht mehr.
Leider laufe die Kunst im öffentlichen Raum auch Gefahr, durch Politik
und Medien manipuliert, bewusst missinterpretiert zu werden. Als Beispiel
nennt der Künstler die "25 Peaces"-Aktion im Wiener Stadtraum. Selbst die
SPÖ habe mit den angeblichen "Porno-Plakaten" politisches Kleingeld
verdienen wollen. Schabus: "Es ist ein Drama der Gegenwart, dass sich
vieles so leicht manipulieren lässt." Nach seinem Erfolg in Venedig trat Schabus das sechs Monate dauernde
MAK-Schindler-Stipendium in Los Angeles an. In der "hochgradig
artifiziellen" Autostadt ging der Kärntner den L.-A.-River zu Fuß ab. Von
allen 141 Brücken und Überführungen, die seinen Weg kreuzten, fertigte er
Dias an. Pläne für die Zukunft? "Salzburg überleben und beweisen, dass die
Erde eine Scheibe ist." Und: Endlich mit Will Oldham ein Bier trinken. |