Moderne mit Kelimkunst verwoben
Begegnungen von Kunstwerken aus dem 20. Jh. mit
Meisterwerken anatolischer Kelims des 17. bis 19. Jh. sind Thema der
Ausstellung "Nomaden im Kunstsalon" die das Lentos, eingebettet in ein
facettenreiches Rahmenprogramm, bis 10. September präsentiert.
VON ULRIKE STEINER
"Wer nicht reist, kennt den Wert der Menschen nicht", schrieb Ibn
Battuta, großer arabischer Forschungsreisender des 14. Jahrhunderts.
Reisen hat heute einen ganz anderen Stellenwert, findet selten auf den
Trampelpfaden des Tourismus statt, führt in der Auseinandersetzung mit
anderen Kulturen eher in ein Museum als in ein Reisebüro. "Im Kunstbereich
gibt es den Impetus, sich grundsätzlich mit kultureller Produktion, dem
Kreativen an sich auseinanderzusetzen, die zeitgenössische Kunst in
Kontext zu stellen", sagt Lentos-Direktorin Stella Rollig. Sie erläutert
damit die Motivation zur Ausstellung "Nomaden im Kunstsalon", die 22
wertvolle anatolische Kelims (17. bis frühes 19. Jh.) aus der
Privatsammlung Prammer mit 59 ausgewählten Kunstwerken der Moderne aus der
Lentos-Sammlung konfrontiert.
Weg von Exotik-Phantasien
Die Kuratorinnen Andrea Bina und Elisabeth Nowak-Thaller setzten diese
Begegnung von Orient und Okzident spannungsvoll in Szene. Im Alltag
abgeholt wird der Besucher im ersten der sechs Schauräume, der als
"Kunstsalon" in Makart-Rot Projektionsfläche in zweifacher Hinsicht
bietet: Einerseits den Exotik-Phantasien des 19. Jahrhunderts, die in der
Buntheit der Ägypten-Szenarien eines Leopold Carl Müller ebenso
auskristallisierte wie in der Schleier-und-Pluderhosen-Maskerade früher
Porträt-Fotografien.
Andererseits in der Projektion einer Dokumentarfilm-Rarität aus den
1920er-Jahren, die in ein Turkmenen-Zelt aus weißer High-Tech-Folie lockt.
Die in diesem Umfeld präsentierten großformatigen Kelims überragen in
ihrer souveränen Beherrschung von Farbe und Ornament die Wunsch- und
Traumbild-Welt europäischer Herkunft, degradieren sie geradezu zu einem
Orient-Zerrbild.
Ein Eindruck, der sich schon ein paar Schritte weiter radikal ändert.
Ab dem Raum "Linie, Farbe" entsteht perfekte Interaktion, gegenseitige
Verstärkung, wird das Konzept transparent: Sean Scullys "Uriel" (1997)
antwortet auf einen dreiteiligen zentral-anatolischen Kelim (um 1800)
ebenso klar, wie Andrew Molles "Yellow Acolon" (1970) zum Zwilling eines
Kelims aus Konya (um 1800) wird.
Hinter diesen augenfälligen Beziehungen sind subtilere Spannungsbögen
spürbar - ob die Reduzierung zum Ornament wie in der Nomadenkunst direkte
magisch-kultische Wurzeln hat oder ob sie "kopflastig" als Trend zur
Abstraktion im 20. Jahrhundert vergleichbare Resultate brachte.
E-Mail: kultur@nachrichten.at
Manker & List warfen mit Bierflaschen
kultur@nachrichten.at
Anregendes Begleitprogramm
Symposium "Kelim und Moderne", 3. bis 5. März,
Anmeldung unter www.lentos.at/Ausstellungen/Aktuell/Symposium
Cultural Nomades Gesprächsreihe mit Sammler Norbert Prammer und
wechselnden Partnern
Filmprogramm mit den Dokumentationen "Grass", "Teppich Geheimnisse" und
"People of the Wind" (20. 5., 10. 9.)
Kelim-Bewertung: Experten bewerten mitgebrachte Kelims (17. 6.).
Kunst & Genuss: Führung durch die Ausstellung (50 Min.),
anschließend türkischer Kaffee und Kuchen im Lentos-Restaurant
Kamele: Kamelreiten für Kinder und junggebliebene Erwachsene (20. 5.)
1001 Nacht: Geschichten aus 1001 Nacht, gelesen von Waltraud Starck (ab
6; 12. 2. und 19. 3., 15 und 16 Uhr)
Workshops: Märchen erzählen, spielen, darstellen mit Waltraud Starck
(ab 8, 12. 3.) und "Wir gestalten einen fliegenden Teppich" (ab 6; 25. 3.
und 29. 4.) Anmeldung: 0732 / 70 70-36 02
Fusion zwischen Andrew Molles (1970) und Kelim aus Konya (um 1800)
Foto: Lentos
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