Textarchiv OÖNachrichten www.nachrichten.at/archiv
vom 31.01.2006 - Seite 019

Moderne mit Kelimkunst verwoben

Begegnungen von Kunstwerken aus dem 20. Jh. mit Meisterwerken anatolischer Kelims des 17. bis 19. Jh. sind Thema der Ausstellung "Nomaden im Kunstsalon" die das Lentos, eingebettet in ein facettenreiches Rahmenprogramm, bis 10. September präsentiert.

VON ULRIKE STEINER

"Wer nicht reist, kennt den Wert der Menschen nicht", schrieb Ibn Battuta, großer arabischer Forschungsreisender des 14. Jahrhunderts. Reisen hat heute einen ganz anderen Stellenwert, findet selten auf den Trampelpfaden des Tourismus statt, führt in der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen eher in ein Museum als in ein Reisebüro. "Im Kunstbereich gibt es den Impetus, sich grundsätzlich mit kultureller Produktion, dem Kreativen an sich auseinanderzusetzen, die zeitgenössische Kunst in Kontext zu stellen", sagt Lentos-Direktorin Stella Rollig. Sie erläutert damit die Motivation zur Ausstellung "Nomaden im Kunstsalon", die 22 wertvolle anatolische Kelims (17. bis frühes 19. Jh.) aus der Privatsammlung Prammer mit 59 ausgewählten Kunstwerken der Moderne aus der Lentos-Sammlung konfrontiert.

Weg von Exotik-Phantasien

Die Kuratorinnen Andrea Bina und Elisabeth Nowak-Thaller setzten diese Begegnung von Orient und Okzident spannungsvoll in Szene. Im Alltag abgeholt wird der Besucher im ersten der sechs Schauräume, der als "Kunstsalon" in Makart-Rot Projektionsfläche in zweifacher Hinsicht bietet: Einerseits den Exotik-Phantasien des 19. Jahrhunderts, die in der Buntheit der Ägypten-Szenarien eines Leopold Carl Müller ebenso auskristallisierte wie in der Schleier-und-Pluderhosen-Maskerade früher Porträt-Fotografien.

Andererseits in der Projektion einer Dokumentarfilm-Rarität aus den 1920er-Jahren, die in ein Turkmenen-Zelt aus weißer High-Tech-Folie lockt. Die in diesem Umfeld präsentierten großformatigen Kelims überragen in ihrer souveränen Beherrschung von Farbe und Ornament die Wunsch- und Traumbild-Welt europäischer Herkunft, degradieren sie geradezu zu einem Orient-Zerrbild.

Ein Eindruck, der sich schon ein paar Schritte weiter radikal ändert. Ab dem Raum "Linie, Farbe" entsteht perfekte Interaktion, gegenseitige Verstärkung, wird das Konzept transparent: Sean Scullys "Uriel" (1997) antwortet auf einen dreiteiligen zentral-anatolischen Kelim (um 1800) ebenso klar, wie Andrew Molles "Yellow Acolon" (1970) zum Zwilling eines Kelims aus Konya (um 1800) wird.

Hinter diesen augenfälligen Beziehungen sind subtilere Spannungsbögen spürbar - ob die Reduzierung zum Ornament wie in der Nomadenkunst direkte magisch-kultische Wurzeln hat oder ob sie "kopflastig" als Trend zur Abstraktion im 20. Jahrhundert vergleichbare Resultate brachte.

E-Mail: kultur@nachrichten.at

Manker & List warfen mit Bierflaschen

kultur@nachrichten.at

Anregendes Begleitprogramm

Symposium "Kelim und Moderne", 3. bis 5. März, Anmeldung unter www.lentos.at/Ausstellungen/Aktuell/Symposium

Cultural Nomades Gesprächsreihe mit Sammler Norbert Prammer und wechselnden Partnern

Filmprogramm mit den Dokumentationen "Grass", "Teppich Geheimnisse" und "People of the Wind" (20. 5., 10. 9.)

Kelim-Bewertung: Experten bewerten mitgebrachte Kelims (17. 6.).

Kunst & Genuss: Führung durch die Ausstellung (50 Min.), anschließend türkischer Kaffee und Kuchen im Lentos-Restaurant

Kamele: Kamelreiten für Kinder und junggebliebene Erwachsene (20. 5.)

1001 Nacht: Geschichten aus 1001 Nacht, gelesen von Waltraud Starck (ab 6; 12. 2. und 19. 3., 15 und 16 Uhr)

Workshops: Märchen erzählen, spielen, darstellen mit Waltraud Starck (ab 8, 12. 3.) und "Wir gestalten einen fliegenden Teppich" (ab 6; 25. 3. und 29. 4.) Anmeldung: 0732 / 70 70-36 02

Fusion zwischen Andrew Molles (1970) und Kelim aus Konya (um 1800) Foto: Lentos


© Alle Rechte vorbehalten. Nutzung ausschließlich für den privaten Eigenbedarf.