Salzburger Nachrichten am 07. Dezember 2002 - Bereich: kultur
Der Poet in seinem eigenwilligen Garten Eden

Der Tiroler Lois Weinberger kehrt heim: Eine Retrospektive in der Landesgalerie im Taxispalais

Spätestens seit der documenta X, 1997, wo er üppig wucherndes Unkraut zwischen abgewrackte Bahngleise pflanzte, hat er mit seinen kontroversen Projekten in den Weltgärten der Kunst feste Wurzeln geschlagen, der Tiroler Lois Weinberger.

In der Landesgalerie im Taxispalais in Innsbruck verwandelt Weinberger seinen geistigen Naturgarten mit Bildern, Fotos, einem Garten-Archiv, bestehend aus 624 Dias, mit Objekten, Wandzeichnungen, Texten oder Installationen zu einem fast ethnopoetisch anmutenden Naturszenario im Innenraum. Daraus entsteht sein ureigener Garten Eden als "perfekt provisorisches Gebiet", in dem so genanntes Unkraut und kaum akzeptierte Wildpflanzen Grenzen markieren, an denen Natur und Kultur, natürliche Anspruchslosigkeit und anspruchsvolle Künstlichkeit einander berühren oder überschneiden - wie im menschlichen Leben auch. Der Künstler sieht in den Nährböden wildwachsender Pflanzen Metaphern für Systeme, in die sich Menschen eingebunden finden: Ökonomie, Kultur, Politik. Er protestiert gegen wachsende soziale Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Umweltzerstörung, entdeckt aber auch Zeichen der Hoffnung und des Neubeginns auf kraftstrotzenden Unkrauthalden.

Mit seinen brisanten, nicht ganz leicht nachzuvollziehenden, provokanten Botschaften ruft Weinberger zu einer neuen Konzeption von "Natur" auf: Der Garten der Menschheit muss wieder zum Symbol der Ruhe und des einfachen Lebens werden. Dieser ideale Hort muss aber zuerst im Kopf entstehen.

(Bis 12. 1.) H. REICHART