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6 2002
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Sabine B. Vogel :  hat sich mit Ay¸se Erkmen anlässlich ihrer Ausstellung in der Wiener Secession getroffen. ‹Kein gutes Zeichen› – so der Titel der Schau – dreht sich um ‹die Spannungen unserer Zeit›.

Über Kaffeeschaum und Hauptakteure

Interview mit Ayse Erkmen von Sabine B. Vogel

  
links: Ayse Erkmen, lebt und arbeitet in Berlin und Istanbul
rechts: Kein gutes Zeichen, 2002, Secession Wien, Hauptraum. Foto: Matthias Herrmann

Sabine B. Vogel: Ihre Ausstellung in der Wiener Secession heisst ‹Kein Gutes Zeichen› – worauf bezieht sich der Titel?

Ay¸se Erkmen: ‹Kein Gutes Zeichen› bezieht sich zunächst auf die Diaprojektion im Foyer, die Fotografien von Kaffee in einer Tasse, ohne dass die Tasse allerdings sichtbar ist. Kaffee wurde vor mehr als 500 Jahren aus der Türkei nach Wien gebracht und von hier aus weiter in die Welt verbreitet. Kaffee – das ist eine historische Verbindungslinie zwischen meiner Heimat und Wien. Die Kaffee-Fotografien, die in der Rosette über dem Eingang des Hauptraums zu sehen sind, zeigen die Bläschen auf dem Kaffee. Dieser Kaffee-Schaum hat in der Türkei eine spezielle Bedeutung – kleinblasiger Schaum bedeutet Geld, Gesundheit, gute Neuigkeiten. Die grossen Blasen dagegen werden ‹böse Augen› genannt. Sie kündigen Unheil an. Bevor wir den Kaffee trinken, zerstören wir die grossen Blasen mit dem Finger – und damit das drohende Unheil. Daher der Ausstellungstitel, der natürlich auch auf unsere spannungsgeladene Zeit, die politische Situation anspielt. Der Titel ist aber vor allem sehr konkret umgesetzt.

Im Hauptraum sieht man dann die Lichter, die sich unter der Glasdecke
horizontal bewegen. Hier entsteht eine andere, abstraktere Spannung – man weiss zunächst nicht, was hier eigentlich passiert. Mal bewegen sich die Lichter fliessend, dann wieder stockend und zögernd. ‹Kein Gutes Zeichen› ist eine Ausstellung über die Spannungen unserer Zeit.

SBV: Bezieht sich der Titel auch direkt auf die Kunstinstitution?

AE: Nein, der Titel ist genereller gemeint.

SBV: Der Titel klingt pessimistisch, denn Sie zerstören die Blasen ja nicht…

AE: …man kann nicht verhindern, was kommen wird.

SBV: Warum zeigen Sie die Werke in zwei verschiedenen Räumen?

AE: Das Foyer ist perfekt geeignet für die Kaffee-Situation. Das Foyer ist nicht so minimalistisch wie der Hauptraum. Hier bereiten sich die Leute vor, um in die Ausstellung zu gehen – sie schauen herum, informieren sich, kaufen die Tickets. Es ist eine kommunikative Situation, so wie auch Kaffeetrinken. Innen sind wir dann im white cube. Zwischen diesem Raum und der Decke besteht ein merkwürdiger Gegensatz: Für die strenge Klarheit des white cube und um ein perfektes Licht zu erhalten, ist ein immenser Service-Aufwand zwischen Glasdecke und Dach der Secession installiert. Über der Glasdecke befinden sich zwei bewegliche Plattformen, die ausschliesslich dazu dienen, die Glasscheiben zu reinigen oder auszutauschen. Ich lasse diese Plattformen jetzt kontinuierlich routieren gemäss ihrem eigenen Programm – ich bestimme keine Richtung und keinen Rhythmus.

Dazu übertrage ich die Motorengeräusche in den Ausstellungsraum und habe an die Unterseite der Plattformen Lichter installieren lassen. Die Plattformen sind jetzt fahrende Lichtboxen. Die beiden Seitentrakte kommen ohne Plattformen aus, also ergänze ich hier einen Service. Ich projizieren zwei Filme auf die Decke, zwei weisse Kreise, die wie eine gerade durchbrennende Glühbirne flimmern. Die Projektion steht über der Deckenkonstruktion. Die Gitter im Kreis sind die Gitter der Konstruktion im Dach. Der Film ist also nur der weisse Kreis.

SBV: Ist die Jugendstil-Architektur der Wiener Secession ein Thema oder hat sie einen Einfluss auf Ihr Ausstellungskonzept?

AE: Ja, denn der Kontrast zwischen dem Haus und auch dem Foyer zu dem Ausstellungsraum spiegelt sich auch in der Installation. Einerseits in den Kaffee-Bildern – einem sehr aufgeladenen, komplexen Motiv, das Geschichte, Aberglauben und Zeit einbezieht. Andererseits in den Plattformen und dem Film, die beide so einfach sind.

SBV: Im DAAD, Berlin, haben Sie 1993/94 die Lichtschienen tief hinab in den Raum gehängt und die Geräusche des Cafes über Lautsprecher in den Ausstellungsraum übertragen – sehen Sie da eine direkte Verbindung zur Installation in der Wiener Secession?

AE: Ja. Ich schätze es sehr, wenn mir der Raum alle Möglichkeiten zur Arbeit bereithält. Die perfekte Situation und Ausstellung ist für mich, wenn ich überhaupt nichts von aussen hineinbringe. In Berlin wie auch hier in Wien sind die Service-Einrichtungen die Hauptakteure der Ausstellung. Normalerweise verstecken sich die Plattformen über den blinden Stellen in der Decke und kommen nur für den Reinigungsvorgang heraus. Darum habe ich auch den Raum komplett leer gelassen – jetzt arbeiten sie nur für sich selbst. Jetzt dürfen sie sich zeigen.

‹Kein Gutes Zeichen› in der Wiener Secession ist noch bis zum 23.6. zu sehen.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation in deutsch und englisch mit einem Text von Fatih Özgüven.


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Ausgabe 6  2002
Autor/in Sabine B. Vogel
Künstler/in Ayse Erkmen

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