Strukturierte Kleinöffentlichkeiten

Vom Zeitungsliebhaber zum Netizen. Walter Famler findet den Short-Cut.


Walter Famler kann manchmal sehr verärgert sein. Walter Famler ärgert sich, wenn nicht punkt sechs Uhr Früh mindestens drei Zeitungen vor seiner Haustür liegen. Walter Famler ist Journalist, Verleger und Herausgeber der österreichischen Zeitschrift Wespennest, die sich schon seit langem "brauchbarer Bilder und Texte" annimmt. Er hat also viel mit Texten zu tun, und am liebsten liest er die halt gedruckt. Nur im hintersten Winkel der Welt würde er die unentbehrlichen Zeitungen notgedrungen auch im Internet lesen.

Daraus zu schließen, dass Walter Famler der Technik und den neuen Medien feindlich gesonnen ist, wäre allerdings ein vorschneller Schluss. Dem ist mitnichten so, ist Walter Famler doch einer der Gründerväter des internationalen Netzmagazins "Eurozine", das seit sechs Monaten ein Redaktionsbüro zwei Stockwerke über dem des Wespennests und den Schweden Carl Henrik Fredriksson zum Chefredakteur hat.

Kleine Fische im großen Netz

Das Internet hat es ihm schon irgendwie angetan und die Idee der Vereinigung zahlreicher europäischer Kulturzeitschriften war virtuell wohl auch etwas leichter zu realisieren. Denn eines weiß Walter Famler aus jahrelanger Erfahrung: Reich wird man nicht im Reich der kleinen, aber feinen Magazine: "In 'Eurozine' haben sich kleine und kleinere Zeitschriften zusammengeschlossen aus der Erkenntnis heraus, dass die Kleinöffentlichkeiten, die wir hier mit unseren Medien strukturieren, durch Vernetzung Vorteile haben, vor allem was das Textpotenzial betrifft. Es ist für Zeitschriften wie zum Beispiel Wespennest mit den Bedingungen, unter denen wir arbeiten, das heißt ständig unterkapitalisiert zu sein, schwierig, auf internationale Texte und AutorInnen Zugriff zu haben."

Viele Davids > ein Goliath

Gemeinsam ist man stärker, so auch die Devise bei den Kulturmagazinen, die sich aber mit "Eurozine" nicht nur einen gemeinsam nutzbaren Textfundus geschaffen haben, sondern auch ein eigenständiges Medium. Vielsprachig natürlich, wie es die transnationale inhaltliche Ausrichtung und die technischen Möglichkeiten des Netzes gebieten. Texte wandern aus den einzelnen Partnermedien ins Netz, werden übersetzt und wandern in andere Partnermedien zurück.

Ein Text-Verschiebebahnhof sozusagen, eine Plattform, die eines hat, was so manch anderer hübsch designten im Netz leider oft fehlt: Inhalt. Durch die persönlichen Kontakte, die auf seit über zwanzig Jahren stattfindenden Zeitschriftentreffen entstanden sind, ist der Textfluss garantiert. Und auch die Qualität, denn dafür bürgen die renommierten Partner von Lettre International bis zum schweizerischen "du".

Ausdruck ist auch Druck

Die Qualitätsgarantie ist entscheidend, denn das Suchen im Netz, das nur selten von hochwertigem Erfolg gekrönt ist, das irritiert Walter Famler schon. Carl Henrik Fredriksson dagegen, ehemals Redakteur bei einer der ältesten europäischen Kulturzeitschriften, dem schwedischen Ord&Bild, findet den Unterschied zwischen Print und Netz gar nicht so gewaltig.

Es sei schon richtig, dass man sich bei Netzpublikationen Papier und Druck erspare, die wirklich hohen Kosten betreffen aber sowieso die eben doch nicht unbezahlbaren Werte wie Erfahrung und Wissen; Mitarbeiter also. Derer gibt es mittlerweile fünf, in der Chefredaktion gleich über dem Wespennest.

Link: Eurozine

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