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Kunstberichte

Die Zukunft des KHM

Ein Barockmensch ohne Elfenbeinturm

Fiel zuletzt am KHM auf: Die Arcimboldo-Schau, deren Schöpfer noch einige Jahre am Haus weilen. Direktor Seipel (Bild) waltet nur noch kurz seines Amtes. Foto: apa

Fiel zuletzt am KHM auf: Die Arcimboldo-Schau, deren Schöpfer noch einige Jahre am Haus weilen. Direktor Seipel (Bild) waltet nur noch kurz seines Amtes. Foto: apa

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Die Entscheidung für Sabine Haag als neue Direktorin lässt hoffen, dass wissenschaftliche Reputation für Ministerin Claudia Schmied mehr zählt, als einen bekannten Namen des internationalen Kunst-Parketts aus dem Hut zu zaubern.

Was aussieht wie eine Protestwahl, auch gegen alle Medienberichte, dürfte jedoch handfeste Gründe haben: Die künftige Direktorin kann bestens mit dem seit einem Jahr amtierenden Geschäftsführer des KHM, Paul Frey. Sie gilt nicht nur als konsequente Arbeiterin in ihrem Spezialgebiet, der Elfenbeinkunst, sowie bei der Neuaufstellung der Kunstkammer, sondern auch als gute Organisatorin und sachliche wie diplomatische Kollegin allen gegenüber.

Haag vereint, ähnlich wie der anfangs ventilierte KHM-Kandidat Max Hollein, wirtschaftliches Denken mit einer erstklassigen geisteswissenschaftlichen Ausbildung.

Schon ihr Lehrer an der Universität, Günther Heinz, gab sich bescheiden als Barockmensch und war dennoch ein innovativer Praktiker des Museums. Es kann mithin eine interessante Aufstellung "ihrer" Kunstkammer erwartet werden.

Ob Haag aber die Sonderausstellungs-Schiene mit soviel Elan bedienen wird wie ihr Vorgänger, bleibt abzuwarten. Die Ankündigung, mit dem "Furienmeister", einem manieristischen Elfenbein-Schnitzer, 2010 punkten zu wollen, zeigt ihre Spezialisierung auf feine Kammerstück-Präsentation.

Doch bleiben ihren profilierten Kollegen an der Gemäldegalerie noch einige Jahre bis zur Pension, um neben der vorrangigen Vollendung der Daueraufstellung international – wie zuletzt mit Arcimboldo – aufzufallen.

Was nicht heißt, dass Haag unbekannt ist. Unter Kunsthistorikern genießt sie einen guten Ruf. Und sie ist auch keine reine Elfenbein-Spezialistin. Immerhin war die Malerei einer Angelika Kauffmann bereits Inhalt ihrer Diplomarbeit.

Arbeit im Vordergrund

Keine Sensation ist vielleicht doch eine Sensation: An eine Hausberufung hatte niemand geglaubt, dabei sind auch die Direktoren der anderen großen Museen in Wien allesamt Österreicher. Haag ist nun die Jüngste, sie kennt das Haus am Ring allerdings schon seit 1990: Viele Wissenschafter sowie Kollegen am Haus reagieren daher sehr positiv. Wer auf eine glänzende Selbstinszenierung wartet, wird von Sabine Haag aber sicher enttäuscht sein: Für sie stehen die Objekte im Vordergrund.

Mittwoch, 11. Juni 2008

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