Salzburger Nachrichten am 6. März 2006 - Bereich: Kultur
Das Image von Arbeit Harun Farocki offenbart
in seinen Filmen die Funktions-mechanismen der wirklichen Arbeits- und der
Medienwelt. Das Filmmuseum widmet dem Regisseur eine Schau.
PIA FEICHTENSCHLAGERWIEN (SN). "Relevant statt überheblich, vielfältig
statt gleichförmig, kreativ statt penetrant!" Dies sind die
Kommunikationsstrategien einer Werbekampagne, die den Kunden, in diesem
Fall im Bereich Sehhilfen, überzeugen sollen. "Eyedentity" lautet das
kreative Image: Brillen und Kontaktlinsen für Menschen und ihre
individuelle Persönlichkeit. Die gelieferten Bilder der Werbeagentur, die
das wirksam unter die Leute bringen soll, scheint jedoch den Geschmack der
Auftraggeber nicht zu treffen. Bild und Textbotschaft harmonieren nicht.
Harun Farocki präsentiert in der Doku "Der Auftritt" (1996) die
Präsentation einer umfassenden Vermarktungsstrategie, die sich dem realen
Auftraggeber vor der Kamera genauso langsam erschließt wie dem Zuschauer
vor dem Bildschirm. Am Ende der Präsentation stehen die unvermeidlichen
Sätze, die jeder Arbeit Suchende fürchtet. Es sind jene Sätze, die eine
weitere Kommunikation ankündigen, eine mögliche Zusammenarbeit nicht
ausschließen, leichte Hoffnung wecken, aber doch nicht allzu viel, um sich
einer Zusage des Arbeitsverhältnisses bereits sicher zu sein. Damit sind wir mitten im zentralen Thema des Filmemachers und Autors
Harun Farocki: Die Mechanismen und Veränderungen des Arbeitsmarkts in
einer kapitalistischen Gesellschaft und die verdrängte Wirklichkeit in den
Medienbildern. Das Filmmuseum zeigt in Zusammenarbeit mit Navigator Film
bis 27. März die erste umfassende Retrospektive von Farockis Film- und
Videoarbeiten in Österreich: 36 Beispiele aus 40 Jahren Filmschaffen in
Deutschland; dokumentarische Film- und Video-Essays, poetische
Filmbetrachtungen und Spielfilme, oder frühe Agitationsfilme wie "Nicht
löschbares Feuer" (1969). Hier thematisiert Farocki die Schwierigkeit der
Kriegsberichterstattung und die Mitverantwortung der Techniker am
zerstörerischen Weltgeschehen. Welche Bilder rufen welche Wirkung hervor? "Wenn wir Ihnen ein Bild von
Napalm-Verbrennungen zeigen, werden Sie die Augen verschließen." Diesem
Verschließen gegenüber der Realität wird ein persönlicher Erfahrungsakt
entgegengesetzt: Der Filmemacher drückt sich eine heiße Zigarette auf dem
Handrücken aus. Napalm hingegen brennt um ein Vielfaches heißer. "Wie
sehen also Verbrennungen durch Napalm aus?" Diese Frage wird dem Publikum
zurückgeworfen. Ein Film als Anti-Vietnamkriegs-Waffe und damit die
Sehnsucht der Anti-Vietnam- und Anti-Imperialismus-Bewegung nach einem
Musterbeispiel des politischen Films in Deutschland stillte. In dem Found-Footage-Film "Arbeiter verlassen die Fabrik" (1995)
verdichtete Farocki Dokumentar- und Spielfilmszenen zu einer
filmgeschichtlichen Studie über die Geschichte der Arbeit und die
Geschichte des Kinos. Die kapitalistische Logik und die dadurch
veränderten Bilder von Arbeit und damit Leben bestimmen "Die Schulung"
ebenso wie "Die Umschulung" sowie "Leben BRD", wo sich Deutschland als
Therapieschule präsentiert. Parallel zur Retrospektive zeigt das Filmmuseum die Reihe Carte Blanche
"Wie in einem Spiegel" mit 14 vom Filmemacher gewählten Filmbeispielen,
die vom Filmemachen selbst erzählen. Zum Beispiel Pasolinis "La ricotta"
oder Fellinis "8 ½". Noch bis 23. April ist die Ausstellung "Kino wie noch
nie" in der Generali Foundation zu sehen, in der Farocki gemeinsam mit der
Filmwissenschafterin Antje Ehmann eine Analyse von Kino und Film vornimmt.
Information: www.filmmuseum.at |