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27.06.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
kunstraum: Galerie Huber korrekt

Obwohl die Musealisierung des Wiener Aktionismus zuletzt rapide voranschritt, steckt noch viel Stoff für Kontroversen in dieser Kunstrichtung. Etwa das Verhältnis zum "Material", wie Otto Mühl seine Modelle gern bezeichnete. Die 1963 geborene Künstlerin Carola Dertnig hat Interviews mit ehemaligen Aktionsdarstellerinnen geführt. Sie produziert daraus aber keine unverfängliche Recherche-Kunst, wie ihre Ausstellung "Lora Sana" in der neu eröffneten Galerie Andreas Huber beweist. Dertnig hat Aufnahmen von Schwarzkogler, Nitsch & Co. fotokopiert und diese übermalt _ das dürfte vor ihr nicht einmal Arnulf Rainer eingefallen sein. Die dynamischen Körper werden nun von schwarzen Blöcken und Kreisen ausgebremst. Teile der Bilder bewegen sich an der Grenze der Abstraktion. Dann wieder akzentuieren Dertnigs Eingriffe Elemente ihrer Vorlagen, unterstreichen glänzendes Fleisch oder weit aufgerissene Augen. Zu den als Fotos ausgearbeiteten Bildern (1100-1600 €, Auflage 3) liegt ein Text auf, mit dem Dertnig die feministische Schlagseite ihrer Unternehmung betont. Das erfundene Modell Lora Sana, 62, spricht darin über die Instrumentalisierung ihres Körpers, die Opferrolle von Frauen in der damaligen Gesellschaft und die heutigen Profite des Wiener Aktionismus. (Bis 23. Juli, Capistrangasse 3, Wien 6)

Winter: Junge Szene I

Die Galerie Winter möchte mehr junge Kunst zeigen und startet dazu die Reihe "a head". Den Anfang macht Catrin Bolt. Wie könnte so eine Ausstellung aussehen? Bolt liefert dem Betrachter mittels Fotos ganze 78 Möglichkeiten. Mal ist es eine Skulptur aus Fernsehern, mal eine vollgehängte Wand, die in der Galerie installiert und aufgenommen wurde. Durch Bolts konzeptuelle Ausstellungsansichten (1200-2200 €) erfährt man nicht nur eine Menge über die Produktion der Künstlerin, sondern auch über die Spezifika des Galerieraums wofür auch witzige Irritationseffekte eingesetzt werden. Das Format Ausstellung hat Bolt gut gemeistert. Besonders dadurch, dass einen plötzlich der Verdacht beschleicht, es könnte sich bei der fotografierten Kunst bloß um Attrappen handeln. (Bis 2. Juli, Breite Gasse 17, Wien 7)

Kunstbuero: Junge Szene II

s0;100Leopold Kessler hat gerade erst sein Kunststudium an der Akademie beendet, wurde aber schon _ wie auch Carola Dertnig _ zur aktuellen Szeneschau "Lebt und arbeitet in Wien II" in der Kunsthalle eingeladen. Der geborene Münchner thematisiert die Grenze zwischen öffentlichem und privatem Raum bzw. Besitz. Etwas plakativ fällt diese Befragung aus, wenn Kessler ein Einkaufswagerl und ein Vienna Bike zu einer Skulptur (5000 €) zusammenhängt oder einer Telefonzelle eine Vorrichtung zur Verriegelung von innen verpasst (Foto 1300 €). In seinen dokumentarisch gehaltenen Videos tritt der Künstler meist selbst auf. Diesmal löst Kessler überraschenderweise den Buchstaben O aus einem Polizeischild und steckt Geld in die Leuchtbox. Die Gefahr, erwischt zu werden, liegt in der Luft. Die Doppeldeutigkeit der Exekutive als Bestrafungs- und Schutzmacht, wird so gelungen dargestellt. (Bis 2. Juli, Schadekgasse 6-8, Wien 6) Nicole Scheyerers

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