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Kunstberichte
Den heimischen Kunstsammlern steht eine intensive Woche bevor, nicht nur die Viennafair startet

Der Luxus von Kunst im Überfluss

Erst Viennafair, im Herbst MoMa New York: die Kroatin Sanja Ivekovic. Foto: Espaivisor Galería Visor, Valencia

Erst Viennafair, im Herbst MoMa New York: die Kroatin Sanja Ivekovic. Foto: Espaivisor Galería Visor, Valencia

Von Christof Habres

Aufzählung Die Viennafair 2011 präsentiert sich unter neuer Leitung.
Aufzählung Drei Satellitenmessen buhlen um Sammler.
Aufzählung Gibt es einen Verdrängungswettbewerb im Kunstmarkt Wien?

Wien. Man kann nur hoffen, dass in den nächsten Tagen und Wochen das Scheckbuch heimischer Sammler extrem locker sitzt. Betrachtet man den Kunstkalender der vergangenen und kommenden Woche, dann besteht mannigfaltig die Möglichkeit, Geld für Kunst auszugeben.

Am Sonntag schloss die vierte Art Austria im Leopold Museum ihre Pforten, gestern Abend ging die letzte Auktion des ehemaligen Geschäftsführers Otto Hans Ressler von "im Kinsky" über die Runden, ab heute Mittwoch und an den folgenden Tagen bis Sonntag stehen die Kunstmesse "Viennafair" mit ihren neuen Satellitenmessen "Fruits, Flowers & Clouds", "Jennyfair" und "Parkfair" auf dem Programm und – last, but not least – lädt das Dorotheum am 18.Mai zur großen Frühjahrsauktion – in der Hoffnung, dass Sammler und Kunden nicht schon in den Tagen zuvor ihr gesamtes Kunstankaufsbudget investiert haben. Dass in dieser Woche (am Donnerstag, 12. Mai) die international ausgerichtete Ausstellungsreihe "curated by", an der 21 Wiener Galerien beteiligt sind, eröffnet wird, sollte nicht dem Termindruck zum Opfer fallen.

Seit Jahrzehnten wird über die Kapazität und Investions(un)lust des heimischen Kunstmarkts diskutiert und plötzlich scheint dieser Markt finanzkräftig genug zu sein, dass er eine solche Vielzahl von (Verkaufs-)Veranstaltungen verträgt. Trifft dies zu? Oder ist es zufälliges Timing der einzelnen Veranstalter, das dies derart konzentriert passiert?

Konditionsschwächen bei Kunstmessen

In den vergangenen Jahren hatte man bei den Organisatoren der "Art Austria" immer Bedacht darauf genommen, terminlich nicht zu nahe an der großen Schwester "Viennafair" zu liegen. Diese Planung wurde aufgegeben und beide Messen gehen innerhalb weniger Tage über die Bühne. Und nicht nur der Termin wurde geändert, sondern auch der eingeschränkte Zeithorizont der auszustellenden österreichischen Künstler wurde aufgehoben. Jetzt haben die teilnehmenden Galerien die Möglichkeit, Meister aus dem 19. Jahrhundert bis ganz junge Talente zu präsentieren. Ob diese Änderungen des Konzepts und der damit verbundenen kompetitiveren Nähe sowohl zur "Viennafair" als auch zur Antiquitätenmesse aufgehen werden, wird die Zukunft zeigen. Beim Messerundgang am Sonntag, dem letzten Tag der "Art Austria", war die Stimmung eher verhalten und die Verkäufe vieler Galerien waren gerade auf jenem Niveau, die Kosten für die nicht billigen Stände eingespielt zu haben. Ein hohes finanzielles Risiko, überhaupt für Galerien, die an beiden Messen teilnehmen.

Am Mittwochabend bittet dann die "Viennafair" zur Vernissage ihrer siebten Ausgabe. Mit neuer Führung, aber alten Problemen. Nachdem Edek Bartz, der die Messe fünf Jahre geleitet hat, seinen Vertrag nicht mehr verlängert hat, wurden der Kurator, Kunstkritiker und Herausgeber des Kunstmagazins "Springerin" Georg Schöllhammer gemeinsam mit Hedwig Saxenhuber zum neuen künstlerischen Leitungsteam bestellt. In ihren ersten Stellungnahmen haben die neuen künstlerischen Leiter die Wichtigkeit des Messestandorts Wien als Vermittler für die Region Mittel-, Ost- und Südosteuropa betont. Wobei ihnen als profilierte Kunsttheoretiker die praktische Bedeutung erreichter Umsatzzahlen für die Wirtschaftlichkeit einer Kunstmesse klar ist. "Aber neben Waren werden auf guten Messen immer auch Ideen umgesetzt", betont Georg Schöllhammer.

Die guten Ideen wird das Führungsduo in den folgenden Jahren dringend benötigen, um die "Viennafair" endlich zu einem Fixpunkt auf dem internationalen Messekalender zu machen. Denn bis dato ringt die Messe noch immer um ihr tatsächliches Profil. Die Betonung darauf, die einzige Messe mit dem dezidierten Schwerpunkt auf Mittel- und Osteuropa zu sein, füllt mit den Jahren die Messekojen auch nicht mehr. Und wenn nicht eine große Bank der Hauptsponsor wäre, der ein Gros der Stände an junge Galerien aus diesen Ländern weitergibt, dann müsste der Schwerpunkt schon seit einigen Jahren mangels Teilnehmer wegen Themenverfehlung gestrichen werden.

Wiener Messe kann Galerien nicht langfristig gewinnen

Außerdem scheint die langfristige Bindung dieser Galerien nicht zu gelingen. Sie nehmen ein- bis zweimal an der Messe teil, aber meist nicht öfter. Entweder sie wandern zu größeren, renommierteren Messen ab oder sie wollen, beziehungsweise können sich den regulären Preis für einen Messestand, auch im Hinblick auf den potenziellen Verdienst, nicht leisten. Gerade hier liegt einer der Knackpunkte der Probleme der Viennafair: Kunstmessen, die ein bestimmtes Renommee und eine gewinnversprechende Wirtschaftlichkeit erreicht haben, müssen nicht Jahr um Jahr mehr als 90 Prozent der Teilnehmer neu besetzen oder immer wieder überzeugen, sich an der Messe zu beteiligen. Die Galerien aus den Schwerpunktländern kommen über den Bank-Sponsor, den Wiener Galerien wird über großzügige Förderungen der Kreativagentur der Stadt die Anmeldung schmackhaft gemacht und internationale Galerien sind in den letzten Jahren oft Untermieter bei Ständen heimischer Galerien gewesen. So konnten bekannte Namen wie Lisson aus London oder carlierIgebauer aus Berlin im Ausstellerverzeichnis platziert und das Renommee kurzfristig aufgewertet werden. Langfristige Untermieter sind sie aber nicht gewesen.

Bei internationalen Messen ist festzustellen, dass jedes Jahr lediglich ein geringer Prozentsatz an Neuzugängen zu verzeichnen ist. Die meisten Galerien bewerben sich sofort wieder, um ihre Präsenz bei Sammlern am jeweiligen Kunstmarkt nicht zu verlieren. Selbst bei der Satellitenmesse zur "Art Basel", die "Liste", treten in diesem Jahr nur neun der 64 Galerien zum ersten Mal an. Weshalb sich die Reed-Messe als Veranstalter, der jedes Jahr betont, wie anstrengend die Organisation der Kunst-Show ist und wie knapp es sich finanziell immer ausgeht, dieses Mühsal antut, bleibt meist unbeantwortet. Teilnehmer verweisen darauf, dass die "Viennafair" die Messe im Repertoire von Reed ist, die auf die größte mediale, kulturelle und politische Resonanz verweisen kann. Kann es so simpel sein, dass mit prominenten Politikern, Künstlern und Sammlern im Rampenlicht zu stehen, die Probleme aufwiegt?

Nicht überall, wo Messe draufsteht, ist Messe drin

Auf jeden Fall scheint die "Viennafair" ausreichend große Strahlkraft zu besitzen, dass sich heuer drei Satellitenmessen an ihren Rockzipfel hängen. Wobei nicht überall, wo Messe draufsteht, auch eine drin ist: Sowohl die "Jennyfair" als auch die "Parkfair" sind im Grunde kuratierte Ausstellungen. Lediglich "Fruits, Flowers and Clouds" versucht ein interessantes Messekonzept, das unter anderem in Berlin bei der "Preview" angewandt wurde, in Wien zu implementieren: Jede Galerie stellt nur einen Künstler aus. Ob dieses Konzept und der Anspruch der Organisatoren aufgehen werden, werden die nächsten Tage zeigen. Die beteiligten Galerien und Künstler klingen auf jeden Fall vielversprechend.

Wie auch immer sich die kommenden Tage kunstmarkttechnisch entwickeln werden, bleibt eines vorab anzumerken: Die kunstinteressierte Wiener Bevölkerung und Kunsttouristen können sich glücklich schätzen, in dieser Stadt zu sein, denn es passiert in keiner anderen Metropole weltweit, dass Banken oder von der Stadtregierung gefütterte Kreativpools einen respektablen Betrag in zeitgenössische Kunstevents investieren, respektive subventionieren. Die Veranstalter sollten nur so ehrlich zu sich selbst sein, dass diese Form der Quersubventionierung mit dem realen Kunstmarkt wenig bis gar nichts zu tun hat. Aber nichtsdestoweniger ist es sehr gut, dass diese Art des Mäzenatentums noch immer möglich ist.

Aufzählung Information

* Viennafair, 12.-15. Mai 2011 (http://www.viennafair.at)

* Fruits, Flowers and Clouds, 12.-14. Mai 2011

(http://www.fruitsflowersandclouds.at)

* Jennyfair, 10.-15. Mai 2011 (http://www.jennyfair.at)

* Parkfair, 11.-13. Mai 2011 (http://www.parkfair.at)

* Ausstellungsreihe curated by_vienna in 21 Wiener Galerien von 12. Mai bis 18. Juni 2011 (http://www.curatedby.at)

 

Printausgabe vom Mittwoch, 11. Mai 2011
Update: Mittwoch, 11. Mai 2011 11:46:00

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