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Kunstberichte

Dauer-Baustelle KHM: Alte Leiden, offene Zukunft

Von Christoph Irrgeher

Aufzählung Depots und Ausstellungsräume: KHM will mehr Geld und Platz.
Aufzählung Museumsreform: Stoßrichtung ist noch völlig offen.

Wien. Wenn Sabine Haag nächstes Jahr auf dem Chefsessel des KHM Platz nimmt, wird dem Museumskomplex zumindest eines nicht fehlen: Die legendäre "Saliera" Benvenuto Cellinis.

2003 hätte der Diebstahl des Salzfasses fast Wilfried Seipel, Langzeitdirektor seit nunmehr 18 Jahren, aus dem Amt katapultiert, wäre ihm damals nicht Bildungsministerin Elisabeth Gehrer mit unverbrüchlicher Treue zur Seite gestanden. Und ebenso treu hatte sich die damals amtierende Ministerin gezeigt, als der Rechnungshof im Jahr 2005 geharnischte Kritik äußerte: Die "Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung und Bilanzierung" seien am KHM mehrfach nicht eingehalten worden – mochte man den Generaldirektor noch so sehr für die spektakuläre Anziehungskraft seiner Sonderausstellungen loben.

Gewiss, am Beginn der Ära Haag sind die Probleme unspektakulärer, aber nicht weniger drängend. Die Saliera ist seit 2006 zwar zurück, der Täter in Haft – dafür gilt die Heimstätte des Salzfasses als Problemkind: Seit langem trachtet Seipel nach der Renovierung der Kunstkammer, also einer der acht Sammlungen des KHM, dem überdies das Theater- sowie das Völkerkundemuseum angehören. Und beinahe wäre Seipel das Vorhaben auch gelungen, hatte das Ministerium doch, wie er im Herbst 2007 erklärte, die nötigen Mittel in Aussicht gestellt.

Doch schon zwei Wochen später sollte sich das Blatt wenden: Weil Seipel, wie das Ministerium verlautete, nicht über sein Vertragsende als Generaldirektor hinaus verlängert werde, legte man damit auch dessen Pläne für ein nachhaltiges Vermächtnis auf Eis – weil diese und andere Projekte mit der künftigen Hausleitung zu verhandeln seien.

Viele Pläne, kein Geld

Dass die Neueröffnung der Kunstkammer – an der sich auch einige Sponsoren beteiligen wollen – Kulturministerin Claudia Schmied am Herzen liegt, daran besteht freilich (siehe oben) kein Zweifel. Doch Seipels Pläne gehen weiter:

* Im Völkerkundemuseum, mittlerweile renoviert und teileröffnet, fehlen fünf Millionen Euro zur Einrichtung der Schausammlung.

* Weil dem KHM, im Gegensatz zum Gros vergleichbarer Institutionen, Raum für Sonderausstellungen fehlt, ist seit langem eine Überdachung des Innenhofes geplant. Hier soll ein "leichter, schlanker, Pavillon-artiger Erweiterungsbau" entstehen. Kosten: rund sieben Millionen Euro. Subvention: Bisher keine.

* Der vorhandene Stauraum, erläuterte Seipel dem Ministerium, "platzt aus allen Nähten". Die Lösung könnte eine Depotfläche, womöglich unter dem Maria-Theresienplatz, sein.

Wieviel davon in der Ära Haag Realität wird, ist freilich eine Frage der Kosten – und sie dürften so niedrig nicht sein. Johann Kräftner, Chef des Liechtenstein-Museums, veranschlagte sie jüngst im "Profil" mit satten 500 Millionen Euro, die in den nächsten Jahren Richtung KHM fließen sollten. Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder gibt’s ein bisschen billiger: Er ortet einen "Investitionsrückstau", der sich im KHM mit 150 bis 200 Millionen Euro zu Buche schlage.

Ungewisse Reform

Freilich ist die Umsetzung auch eine Frage politischen Willens. Und wie dieser ab 2009 aussieht, dürfte erst ab Herbst feststehen, falls die von Schmied anberaumten Museumsdebatten bis dahin tatsächlich ein Maßnahmenpaket gezeitigt haben sollten. Zumindest ein Plus hat Schmieds Ära den Häusern bereits gebracht: Dass die Subventionen für Bundesmuseen, die seit deren Ausgliederung zur Jahrtausendwende gedeckelt waren, für das Jahr 2008 um sechs Millionen Euro angehoben wurden.

Mittwoch, 11. Juni 2008

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