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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
10. August 2007
22:37 MESZ
Foto: APA / dpa / Ralf Hirschberger
Nachts im Elbtal

Dresden: Umstrittenes Brückenprojekt gestoppt
Verwaltungsgericht folgte Eilantrag von Naturschutzverbänden - Weltkulturerbe-Prädikat war in Gefahr - Schadenersatzforderungen werden geprüft

Dresden - Dresden will nach dem vorläufigen Baustopp für die Waldschlösschenbrücke durch das UNESCO-Welterbe Dresdner Elbtal Schadenersatzforderungen gegen seine Aufsichtsbehörde prüfen. Auf die Stadt kämen durch die Absage des Baubeginns Kosten zu, weil das Regierungspräsidium Dresden die Bauaufträge "zu Kosten und Lasten der Stadt" vergeben habe, sagte Baubürgermeister Herbert Feßenmayr von der CDU am Freitag. Unter anderem erwartete er finanzielle Forderungen der beteiligten Baufirmen. Diese würden "aus Liebe zur Stadt Dresden nichts verschenken wollen", sagte er. Zahlen nannte er aber nicht.

Das Verwaltungsgericht Dresden hatte den Bau, der am kommenden Montag (13. August) beginnen sollte, aus Naturschutzgründen gestoppt. Sollte die Brücke wie geplant entstehen, droht der Verlust des 2004 vergebenen Welterbe-Titels. Die UNESCO hat ein Ultimatum bis zum 1. Oktober gestellt, um Alternativlösungen zu finden. Die Organisation sei über die Gerichtsentscheidung informiert worden, hieß es am Freitag.

Neue Chance

Auch für die Stadt sei die Entscheidung des Gerichts überraschend gefallen, sagte der Baubürgermeister. "Es könnte eine neue Chance für die Zusammenarbeit der politischen Lager sein." Während Staatsregierung und Regierungspräsidium bisher auf der Umsetzung eines Bürgerentscheids pro Brücke vom Februar 2005 beharren, war die Stadt um einen Kompromiss bemüht, der den Welterbe-Titel sichern soll.

Binnen zwei Wochen kann gegen die Entscheidung des Gerichtes Beschwerde beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht Bautzen erhoben werden. Ein Verfahren durch mehrere Instanzen könnte zwei bis drei Jahre dauern. Die Stadt warte nun auf die Reaktion des Regierungspräsidiums. "Ich persönlich gehe davon aus, dass die Behörde gegen den Beschluss des Gerichts Beschwerde einlegt", sagte Feßenmayr. Von der Stadt werde keine Beschwerde kommen.

Eilantrag von Naturschutzverbänden

Wenige Tage vor dem geplanten Baubeginn wurde dem Antrag von drei Naturschutzverbänden auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stattgegeben. Begründet wurde die Entscheidung mit dem Schutz einer seltenen Fledermausart, der Kleinen Hufeisennase. Ein Verfahren durch mehrere Instanzen könnte noch zwei bis drei Jahre dauern, hieß es.

Die Richter der 3. Kammer verwiesen in der Begründung für ihren Beschluss auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Jänner, wonach bei Planfeststellungsverfahren strengere Maßstäbe an naturschutzrechtliche Prüfungen angelegt werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in einer Entscheidung zur Westumfahrung Halle ausgeführt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie nicht erst dann erforderlich ist, wenn Projekte das europäische Schutzsystem mit Gewissheit erheblich beeinträchtigen. Es genügten bereits Zweifel, ob nicht erhebliche Auswirkungen eintreten könnten.

Mit ihrer Entscheidung vom Donnerstag revidierten die Dresdner Richter eine eigene Entscheidung vom Juli 2005 und einen Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom Dezember 2005, in denen die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss nicht festgestellt worden war. Gegen den neuen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen Beschwerde beim Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen erhoben werden.

Brückenbau

Die 635 Meter lange Brücke sollte eigentlich im Jahr 2010 für den Verkehr freigegeben werden. Die Stahlverbundbrücke wird die Elbe in einem Sichelbogen mit angehängter Fahrbahn überqueren. Zu der Brücke gehört auch ein 400 Meter langer Tunnel. Die Kosten belaufen sich auf nach Angaben der Stadt auf rund 125 Millionen Euro. Die Bundesregierung hatte gedroht, von Sachsen Fördergelder zurückzufordern, wenn am Bau der Brücke festgehalten werde. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hatte aber zuletzt entschieden, dass Dresden verpflichtet ist, die für den Brückenbau notwendigen Aufträge jetzt zu vergeben.

Wegen des seit Jahren umstrittenen Bauprojektes hatte das UNESCO-Welterbe-Komitees die Flusslandschaft 2006 auf die Rote Liste der gefährdeten Stätten gesetzt. Das Gremium hatte Deutschland Ende Juni eine letztes Ultimatum für die Vorlage von Alternativen zur Waldschlösschenbrücke gestellt. Wird die Brücke gebaut, wird der Welterbe-Titel aberkannt. (APA/AP/dpa)


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