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04.10.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung: Nicht Mauer, sondern Feuer
Zum 30. Todestag von Monsignore Otto Mauer ermöglicht das Dom- und Diözesanmuseum exklusive Sammlungseinblicke.

K
unst und Kirche, ihr Ab stand voneinander beruh te und beruht noch immer nicht nur auf Respekt. Ein immanentes Misstrauen, bisweilen auch grobe Ablehnung auf beiden Seiten untergraben diese einst so wechselseitig befruchtende Beziehung. Seit dem Einzug der Moderne im 20. Jahrhundert, auch seit der Abwendung der Kunst vom kontrollierbaren Abbilden, ist das Verhältnis empfindlich gestört. Stift Admont, die Grazer Minoriten sind zwei Ausnahmen, wo die Kirche ihr einstiges Mäzenatentum wieder aufleben lässt.

Monsignore Otto Mauer (1907-1973), heißblütiger Domprediger von St. Stephan und Mitbegründer der Katholischen Aktion, war einst die Integrationsfigur zwischen Künstlern und Klerus in Wien - heute fehlt sie hier bitter. "Sie sollten nicht Mauer, sondern Feuer heißen", hat Kardinal Innitzer einst geseufzt. Der streitbare Monsignore war während des Nationalsozialismus Anlaufstelle für viele widerständige Künstler. In seiner Wohnung wurden Begegnungen mit Bildern der damals verfemten Expressionisten möglich, die er sammelte. Seine Freundschaften zu Alfred Kubin und Hans Fronius sind legendär.

1954 gründete Otto Mauer in der Grünangergasse die Galerie St. Stephan. Und ebnete damit der österreichischen Avantgarde den Weg zur Anerkennung, gegen das obligate Misstrauen konservativer Kirchenkreise. Auf deren Betreiben musste sich die Galerie neun Jahre später durch ein eingefügtes "nächst" im Namen vom ehrwürdigen Dom distanzieren. Noch 1966 brachte die Empörung über eine Karikatur, die Kaiser Franz Joseph mit Arbeiterkappe zeigte, die Galerie nächst St. Stephan beinahe zum Zusperren. Doch da bestimmte bereits Oswald Oberhuber als künstlerischer Berater das Programms.

Das Wiener Dom- und Diözesanmuseum bewahrt heute die 3000 Stück reiche Privatsammlung Otto Mauers auf: 600 Kubin-Blätter, Frühwerke der meisten heute namhaften heimischen Künstler der Nachkriegszeit, 150 Zeichnungen der Gugginger Künstler. Präzise zum 30. Todestag von Otto Mauer, dem 3. Oktober, eröffnete nun das Museum am Stephansplatz 7 eine liebevoll ausgewählte, angenehm unprätentiöse Gedenkausstellung mit dem nostalgisch altgriechischen Titel: "Metanoia", innere Umkehr. Denn Mauer war ein Suchender in der Kunst. Er verharrte nicht bei dem in den 30er Jahren von ihm so geschätzten schlichten Stil der Künstler aus dem Bund Neuland, auch nicht bei den Expressionisten, den Magischen oder den Modernen. Das Abstrakte, das Informell faszinierten ihn nachhaltig. Die "Stephansbuben" - Arnulf Rainer, Josef Mikl, Wolfgang Hollegha und Markus Prachensky - prägten bis zu Beginn der 60er Jahre die damals einzige Avantgarde-Galerie Wiens.

Die Gedenkausstellung bleibt ziemlich demokratisch in ihrer Gestaltung. Auf heutigen Starruhm vieler Ausgestellter wird nicht gepocht. Einmütig hängen die etwa 100 Bilder, überwiegend Arbeiten auf Papier - darunter Hundertwasser, Picasso, Gironcoli, Hollein, Beuys, um ein paar Namen zu nennen - aufgeteilt in sieben Gruppen nebeneinander. Von der Klassischen zur Postmoderne reicht das Spektrum - und gestattet Wiedersehen wie etwa zwischen einer frühen Malerei von Maria Lassnig und einer ebenso frühen von Kiki Kogelnik.

Ein seltenes, exklusives Vergnügen - auch für das Team des Diözesanmuseums. Denn es herrscht trister Platzmangel: Die umfassende Sammlung - von der Romanik bis zur Kunst von Heute, bedingt durch den jährlich vergebenen Otto-Mauer-Preis - reist mehr von Wechselausstellung zu Wechselausstellung durch Europa, als dass sie vor Ort gewürdigt werden könnte. Oder es muss zu einer Art Palimpsest-Methode gegriffen werden, bei der Kunst die Kunst verdeckt: Hinter den Stellwänden der Gedenkausstellung haben gotische Skulpturen auszuharren.

Ein Zustand, unter dem Direktor Gerhard Ederndorfer hörbar leidet: "Wir haben Millionenwerte, die wir verstecken müssen. Es ist eine Schande und traurig." Ein Sponsor wird dringend gesucht - und wohl auch wieder ein stimmgewaltiger Feuerträger, der nicht nur nächst St. Stephan der Kunst wieder mehr Licht verschafft.

Bis 20. 12., Di. bis Sa. 10 bis 17h.

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