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Breite und gestische Pinselstriche

Die Österreichische Galerie im Wiener Belvedere feiert den 70. Geburtstag von Markus Prachensky mit einer großen Retrospektive.

WIEN. Die breiten gestischen Pinselstriche auf monochromem Hintergrund sind in der Handschrift unverkennbar: Welche Entwicklungen sich im Werk von Markus Prachensky vollzogen haben, dokumentiert die große Wiener Schau.

1932 in Innsbruck als Sohn des malenden Architekten Wilhelm Nicolaus Prachensky geboren, schlug er zuerst den Weg des Vaters ein. Nach dem Architektur- und Malereistudium blieb er bei der Malerei und wurde mit Mikl, Hollegha und Rainer Begründer des österreichischen Informel, unterstützt von Monsignore Otto Mauer und dessen Galerie St. Stephan.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Markus Prachensky bereits eine Entwicklung durchlaufen, die als Basis bis heute spürbar bleibt: Mitte der fünfziger Jahre entstehen an Mondrian orientierte Geometrien, tektonische Schichtungen. Einem Befreiungsschlag gleichen die unmittelbar darauf folgenden Arbeiten, die das Lebensthema des Künstlers vorstellen.

Prachensky geht der Kraft der Farbe und mit besonderer Vorliebe dem Rot nach. Mit heftigen Pinselbewegungen bearbeitet er die Leinwand, setzt seine Farbe in Szene, entwickelt Kräfte und Gegenkräfte und sucht bei aller Gestik den Ausgleich. Mit vielen subtilen Abwandlungen ist Prachensky seiner informellen Kunst bis heute treu geblieben. Einzig ein längerer Amerikaaufenthalt führte kurzzeitig dazu, dass Prachensky zugunsten kompakter, scharf umrissener Farbflächen das Handschriftliche zurückzudrängte.

Atelierstandplätze, Wohnorte und Auslandsaufenthalte geben den Bildern die Titel. Doch sind die unterschiedlichen Orte nie Anlass für Abbilder der Umgebung. Eher scheinen die dort aufgefundenen Strukturen bereits im Werk Vorhandenes zu bestätigen, zu bereichern und zu erweitern.
In Werken der letzten zwanzig Jahre dürfte Markus Prachensky explizit architektonische Erfahrungen verarbeitet haben: Schichtungen, die von Tragen und Lasten berichten, liegen voll Schwerkraft auf der Leinwand. Klarer wie kaum zuvor wird hier, dass der Künstler bei allem Ausbruch nie die Kontrolle verloren hat, dass jeder Freiheit größte Disziplin zugrunde liegt.
2002-06-06 16:43:37