Sex, Macht und Geld

Das virtuelle Geld beschleunigt seine Umlauf-
geschwindigkeit. Das Resultat ist der flexible Mensch, gefangen im Netzwerk der Geldlogik.
Von Andreas Wolf.


Roher Fisch, das kalorienarme japanische Nationalgericht, ist zur kulinarischen Lifestyle-Ikone der jungen, dynamischen, ewig erfolgreichen Post-Juppy-Generation geworden. Börsenmakler, Investmentbanker und Start-Up-Fuzzies machen das schnelle Geld. Sie fahren schnelle Autos und essen deshalb auch gerne schnell. Das Klischee verbindet sich mit der Wirklichkeit in der beschleunigten Form des Fast Food - den Running-Sushi-Bars.

In der Installation "Running Sushi" in der Kunsthalle Tirol reduziert der Südtiroler Architekt Armin Blasbichler das Fließbandessen auf die Taktgeber hinter dem superschnellen Lifestyle. Von einer Seitenwand aus greift L-förmig eine metallene, mit Wasser gefüllte Fließbandkonstruktion in den Ausstellungsraum. Die Tabletts stehen auf blauen Schwimmbrettkonstruktionen, wie man sie aus Hallenbädern kennt. Anstatt mundgerechter Fischhappen werden den Ausstellungsbesuchern 70 Modelle von Bankgebäuden präsentiert. Modelle eines internationalen Architekturwettbewerbes zur Neugestaltung eines Bankenzentrums in der Innsbrucker Innenstadt.

Geldverknüpfung

Sabotage Communications / ©Bild: Ottenschlaeger
Sabotage Communications / ©Bild: Ottenschlaeger

"Geld Lust:Modell Banking" heißt die neue Ausstellung der Kunsthalle Tirol. Entsprechend dem Konzept der international renommierten Institution, stehen die Ausstellungsstücke und Installationen in einem Wechselverhältnis zum heutigen Lebensstil. In diesem Kontext drängt sich das Thema, Geld, geradezu auf.

Bei der Konzeption ging es dem Leiter der Kunsthalle Tirol, Hubert Salden, um die Verknüpfung der Logiken, die hinter wirtschaftlichen und bildnerischen Prozessen stehen. Die Überschneidungen, Parallelen und Gegensätze werden künstlerisch interpretiert und sind noch bis 8. Juli 2001 in Hall in Tirol zu sehen.

Tracey Emin
Tracey Emin "I've Got it All", 2000

"Geld Lust:Modell Banking" ist eine variantenreiche, witzige, in sich stimmige Annäherung an den Fetisch Geld. Eine Ausstellung, die auch den großzügigen atmosphärisch dichten Raum des 1852 erbauten ehemaligen Salzlagers optimal nützt.

Wertlose Millionen

1997 wurde der denkmalgeschützte Industriebau vom Architekten Hanno Schlögel adaptiert. Auf einer Fläche von 70 x 20 Metern tragen 11, vom Salzfraß gezeichnete, in regelmäßigen Abständen parallel angeordnete Säulen eine alte Holzdecke.

Die mittlere der 10 Meter hohen, schnörkellos schlanken Säulen ist mit einer Plastikplane ummantelt. Dahinter wechseln sich in Meterabständen die Farben Grün, Rot und Blau ab. Das Ausgangsmaterial für die blassen Farbkombinationen sind geschredderte österreichische Banknoten. Mit seiner Installation will der Schweizer Franz Gratwohl die auratische, körperliche Präsenz des Geldes vermitteln. Gleichzeitig thematisiert er mit seiner Installation das zunehmende Verschwinden des physischen Geldes zu Gunsten des virtuellen Zahlungsverkehrs.

Goldrausch

Alba D'Urbano
Alba D'Urbano

30.000 Goldtaler leuchten dem Besucher bei der Installation "L'Eta' dell'Oro" (Das goldene Zeitalter) entgegen. Scheinbar wahllos, zu mehr oder minder großen "Inseln" gruppiert, bedecken sie den schwarzen Fußboden der Tiroler Kunsthalle. Erst aus einigen Metern Höhe, vom Mittelplateau einer Stahltreppe aus, nehmen die "Goldhaufen" Gestalt an. Das Ergebnis ist eine Supermünze mit mehr als sechs Metern Durchmesser. Ihr Motiv ist der Kopf eines hungernden Kindes aus der Dritten Welt. Das selbe Motiv ist auf die Vorderseite jedes einzelnen Goldtalers geprägt. Auf ihrer Rückseite steht der Leitspruch des amerikanischen Dollars "In God we trust". Innen sind die Münzen aus Schokolade.

Neben der Installation ist eine Geldeinwurfbox angebracht. Um 20 Schilling kann man sich einen Goldtaler kaufen. Der Verkaufserlös wird einem karitativen Zweck zugeführt. Die Veränderungen an der in ihrer Substanz schrumpfenden Supermünze werden von einer Webcam gefilmt und ins Internet übertragen.

Vielschichtig und geschickt verknüpfen Alba D'Urbano und Nicolas Reichelt, in "L'Eta' dell'Oro" die Wechselwirkung zwischen ökonomischem Gewinnstreben und dessen tragischer Kehrseite.

Heile Familie und tote Käfer

An Familienporträts aus der Renaissance erinnert eine Fotografie von Michael Clegg und Martin Guttman. Drei Männer einer erfolgreichen Schweizer Unternehmerdynastie bilden das Zentrum. Dort sitzen zwei ältere Herren mit Brille einander zugewandt. Der jüngere Dritte steht dahinter. Die Insignien der Macht sind die dunklen Anzüge, die nahtlos in den schwarzen Hintergrund übergehen. Dazu weiße Hemden und Krawatten.

Rechts, etwas abseits neben den Männern, steht, als ob sie nicht dazu gehörte, eine blonde Frau Mitte 30. Ihre Kleidung ähnelt jener der Männer, nur die Krawatte fehlt. Die aus dem Zentrum gerückte Frau steht stellvertretend für die in der Gesellschaft nach wie vor vorhandene Diskriminierung der Frauen. Gleichzeitig symbolisiert das Bild die Dialektik von Repräsentation und Präsenz, von Pose und Natürlichkeit.

Vom Porträt weg führt ein roter Teppich über einen Zwischengang zur Videoinstallation "Jetzt gehöre ich zu euch", von Franz Wassermann. Auf drei Videowalls, in verschiedenen Perspektiven, sieht der Besucher, wie ein Mann im Nadelstreif Maikäfern die Köpfe abbeißt und diese dann ausspuckt. Vielleicht, so eine mögliche Assoziation, sind die Maikäfer Menschen und der Mann, der ihnen die Köpfe abbeißt, ist ein dem Bild von Clegg und Guttman entstiegenes Familienmitglied.

Tipp:

"Geld Lust:Modell Banking" in der Kunsthalle Tirol bis 8. Juli.

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