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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
10. August 2007
20:27 MESZ
Jan Fabre: "Die verliehene Zeit"
Museum der Moderne
Bis 28.10.

Jan Fabre: "Kijkdozen en Denkmodellen"
(MAM, Ignaz-Rieder-Kai 9, Salzburg)
Jan Fabre: "Tivoliproject for Salzburg"
(Residenzplatz 1)
MAM Mario Mauroner Contemporary Art
jeweils bis 1.9.  
Foto: VBK, Wien 2007
Jan Fabre blättert immer wieder in alten Arbeitsskizzen, um seine Fantasie für neue Bühnenproduktionen anzuregen: "Quando l'uomo principale è una donna" (2004).

Ansichttsache
Kleiner Einblick in Jan Fabres Bildwelten

Luzifers biologische Spiele
Körper, Tod und Transformation: Rund um Jan Fabres Festspiel-Produktion zeigen auch zwei Ausstellungen sein sich unermüdlich drehendes Bilderkarussell

Salzburg - "Der Künstler kann die Welt retten", ist, so verrät sein Galerist Mario Mauroner, eine von Jan Fabres unbescheidenen Ansichten. Aber Bescheidenheit ist seine Sache eben nicht: Fabre ist der Retter mit dem blauem Bic-Kugelschreiber, mit dem er unentwegt Papier oder auch ganze Schlossmauern (Tivoli, 1990) überzieht. Fabre, ein Held des Labors, das erste errichtete er in einem Zelt im Garten, das aktuelle in einem alten Theater in Antwerpen, wo er unablässig forscht und zeichnet, sich keinen Schlaf gönnt - nein! -, der keine Ruhe findet in seinem Kosmos aus Insekten und Liquidem wie Blut, Urin und Sperma.

Und auch seinen "Kämpfern der Schönheit", wie der Künstler, Choreograph, Autor und Theaterregisseur seine Tänzer nennt, verlangt der Schlaflose das Gleiche ab. Der Schweiß der Erschöpfung, der bei Akteuren rinnt, stachelt den rastlosen Ergründer der psychologischen, physischen, philosophischen und sozialen Bedeutungen des Wassers im Körper nur noch mehr an. Mindestens fünf Jahre müssen die Tänzer trainieren, um bereit zu sein für das "biologische Spielen", erklärte der Belgier 2001 in Avignon, wo seine Mitgestaltung des Sommerfestival zu provozieren wusste, seine Methode: "Es ist nicht die Emotion, es geht um die Organe und ihre Reaktionen: Das Blut wird schneller durch die Adern gepumpt, Leber und Herz reagieren anders."

Was hingegen passiert, wenn im Körper die Flüssigkeiten mehr sickern als fließen, wenn Verwandlung einsetzt, zeigt Fabre Ende August in der Felsenreitschule: In Requiem für eine Metamorphose, einer theatralische Totenmesse für den Vater und die Mutter, die vor zweieinhalb Jahren beide binnen weniger Monate starben. Hauptfigur Fabres, den die gleiche Leidenschaft für Klein- und Krabbeltiere jeglicher Art erfüllt wie den Großvater, den Entomologen Jean-Henri Fabre, ist aber ein Schmetterling.

"Das Ende jeder Aufführung ist eine Leiche, deren Seele eine Reise durch die Körper der Zuschauer macht", beschrieb er einmal das nicht Fassbare von Theater, den magischen Augenblick, der in seiner Flüchtigkeit zum Glück nicht den selben ökonomischen Wert habe wie die Bildenden Künste. - Dafür ist der ökonomische Marktwert von Fabre selbst aber nicht zu verachten, und so schmiegen sich an seine Festspiel-Inszenierung zwei Ausstellungen an, die sein "permanentes Tagebuch des Denkens" in Form von Zeichnungen, Objekten und Skulpturen öffnen.

Gespenstische Verliese

Im Rupertinum des Museums der Moderne reproduziert man mehr oder weniger eine Ausstellung aus Avignon, die Teile aus Fabres Arbeitsskizzen Fotografien seiner Bühnenarbeiten seit den frühen Achtzigern gegenüberstellt: Lichtbilder von nicht gänzlich Unbekannten wie Robert Mapplethorpe oder Helmut Newton ...

Galerist Mauroner zeigt neben der Tivoli-Serie auch Fabres Denkmodelle: Gespenstische Verliese oder geradezu aus Schweigen der Lämmer entliehen scheinende Brunnenschächte, die den Künstler als von der Welt abgekehrten Einsiedler zeigen, der im Verborgenen an den Ideen werkelt, die in der Welt draußen fortwirken sollen.

Der Mönch in seiner Studierstube oder aber ein gefallener, weil verkannter Engel: Selbstporträts mit Hörnern am Kopf benutzte Fabre in den Achtzigern als Ankündigung für Projekte: "Ein Künstler ist in gewisser Weise immer ein gefallener Engel, ein Luzifer". (Anne Katrin Feßler /DER STANDARD, Printausgabe, 11./12.08.2007)

Ansichttsache
Kleiner Einblick in Jan Fabres Bildwelten


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