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26.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Eintritt verboten, Blicke erlaubt
VON ALMUTH SPIEGLER
"Küba". Francesca Habsburgs Donau-Projekt ging in Wien an Land. Stilles Ende einer großen Ambition.

Kunst statt Fußball. Wenigstens einen flirrend heißen Wiener Som merabend lang. Wenn Francesca Habsburg unerbittlich zur Eröffnung bittet, ein Schiff, gratis Drinks sowie kühle Kellergewölbe warten. Am Samstag ist "Küba" in Wien an Land gegangen, das europaverbindende Schiffs-Kunstprojekt von Habsburgs "Thyssen-Bornemisz Art 21" -Privatstiftung (T-B A21), das seit Anfang Mai gegen die Donaufluten ankämpfte.

Und zwar im Wortsinn: Der Start des zum Ausstellungsraum adaptierten Frachtschiffs "Negrelli" im rumänischen Constanta musste wegen der Flutkatastrophe verschoben werden. Die Reise konnte erst in Bulgarien, in Canettis Heimatstadt Russe, beginnen. Von dort aus ging alles plangemäß, von Vukovar, Novi Sad, Budapest, Bratislava bis Wien, aber mit den Augen weit geöffnet - Spenden-Aufrufe und eine Charity-Auktion für die Flutopfer waren die unerwarteten, aber tröstenden Begleiter von Habsburgs "Küba. Reise gegen den Strom".

Hinter dem exotischen Namen verbirgt sich kein verhunzter Inselstaat, sondern das pulsierende Herzstück dieser aus insgesamt acht Werken bestehenden Wanderschau, die durch eine hohe Subvention von Staatssekretär Morak (240.000 €) auch gleich als Prestige-Kunstprojekt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft fungierte.

Kutlug Atamans 40-teilige Video-Installation hat ihren Namen von einem in den 60ern entstandenen Barackenviertel in Istanbul, einst am Stadtrand gelegen, heute verschlungen von der wachsenden Metropole. Trotzdem wollen die Bewohner sich nicht integrieren, wollen nicht aufgeben, was als Einziges ihre Identität auszumachen scheint: die Zugehörigkeit zu "Küba", dieser nur 300 Adressen umfassenden Siedlung, in die sich so schnell kein Fremder traut.

Auch nicht Ataman, einer der international erfolgreichsten türkischen Künstler, der ein Jahr lang brauchte, um sich das Vertrauen der inhomogenen Gemeinschaft zu erarbeiten. Und um diesem gleichermaßen ausgegrenzten wie sich selbst ausgrenzenden Ghetto durch 40 Interview-Filme ein Porträt zu schenken. (Siehe Interview rechts.)

Diese laufen jetzt im schummrigen Saal des ehemaligen Jüdischen Theaters im Wiener Nestroyhof. Auf ausrangierten alten Fernsehschirmen mit jeweils einem schäbigen Armsessel davor. Als Gesamtes eine geschwätzige Horde. Im Zweikampf jeweils höchst intime Begegnungen mit hart arbeitenden Frauen, widerlichen Machos, halbstarken Knaben und unglücklich Verliebten.

Im Vorraum und Keller des Jugendstil-Hauses sind erstmals gemeinsam die übrigen Arbeiten versammelt, die an den verschiedenen Stationen rund um "Küba" entstanden sind. "Antworten" sollten die jeweils von lokalen Kuratoren ausgewählten Künstler auf Atamans Video-Gruppenporträt. Heißt, sich ebenfalls mit Minderheiten, im weiteren Sinn mit Grenzen beschäftigen.

Das führte etwa zu einer recht gefälligen Bar, die Nedko Solakov in Form der bulgarischen Landesgrenzen designte. Immerhin, wer sich bückt, entdeckt Solakovs typische frech-kritische Sprüche. Im Endeffekt auch etwas zahnlos: Die Menschenpyramide, die Anneta Mona Chisa und Lucia Tkacova in Bratislava inszenierten, angeregt von einer Darstellung des kapitalistischen Systems von 1911. Die restlichen Beiträge sind wie "Küba" Video-Arbeiten: Emanuel Danesch und David Rych etwa begleiteten das Schiff am Land mit einem Wohnwagen, einer Art mobilen Videothek voller Filme von und über Minderheiten.

Alles in allem das recht stille Ende eines ambitionierten Projekts. Von dem an jeder Station wohl wenigstens ein Hauch von Francesca Habsburgs unglaublicher Energie bleibt. Und in Wien hoffentlich ein neues Bewusstsein für einen Ort, der schäbig im Ungewissen verstaubt: das alte, bis heute devastierte Jüdische Theater im Nestroyhof.

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