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Popkultur und Identitäten |
Mit ihren Foto- und Videoarbeiten hat die südafrikanische Künstlerin
Candice Breitz international Furore gemacht. Im Linzer O.K. Centrum ist
sie bis 15. Juli 2001 zu sehen.
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Den weißen, weiblichen, mit Silikon
bewehrten Torsi sieht man in der Seitenansicht. Die Beine sind
angewinkelt. Die linke Hand umfasst lasziv die Pobacke. Anstatt des
Unterschenkels bildet ein schwarzer, angewinkelter Arm die Fortsetzung des
linken Beines. Das Gesicht der Figur ist nichtssagend schön und könnte aus
einem internationalen Modemagazin stammen. Die Haare sind blond und wallen
im Wind. Im Verhältnis zum übrigen Köper sind die Proportionen des
Gesichtes zu groß. Der Kopf ist unnatürlich schräg auf die Schulter gelegt
und wendet sich in der Frontalen dem Betrachter zu. Die Augen starren
ausdruckslos ins Leere...
"Rainbow Series"
So heißt die in der chirurgischen Cut-and-Paste-
Identitätsfindung In ihrer Arbeit geht es der 1972 in Johannesburg geborenen Künstlerin
um die Frage nach stabilen Identitäten. Die Wurzeln ihrer Arbeiten liegen
einerseits in ihrer gesellschaftlichen Herkunft, als weiße, privilegierte
Südafrikanerin, die im Apartheidsystem ihre Kindheit und einen Teil ihrer
Jugend verbracht hat, andererseits seziert sie den globalen Starkult um
internationale Pop- und Filmikonen. In ihren Video- und Fotoarbeiten
vermischt sie die gängigen Klischees von Schwarz und Weiß und hinterfragt
die heterogenen Lebensentwürfe der Popkultur und Unterhaltungsindustrie.
Für ihre "Momentaufnahmen" löst sie ihre Figuren aus ihrem medialen und
kulturellen Zusammenhang. Daraus ergeben sich komplexe Fragen nach den
wahren Identitäten hinter den Bildern. Fotoausschnitte, Filmsequenzen und
Sprache werden aus ihrem Kontext gerissen und neu zusammengesetzt. Dabei
wird deutlich, wie die Sprachschablonen der Mainstream-Medien unseren
verbalen und zwischenmenschlichen Umgang prägen.
Popikonen als Sprachtrainer In der "Babel Series" von 1999 hat Candice Breitz die Pop-Größen
überarbeitet. Madonna, Sting, Prince und andere Helden des internationalen
Unterhaltungs-Business' werden mittels bruchstückhafter Ausschnitte
bekannter Musikvideos "komprimiert". Das Ergebnis sind an kindliche
Plapperlaute erinnernde Wortfetzen und dissonante Beats. Durch die
radikale Verkürzung von Sprache und Bildern erinnert die Künstlerin an die
Subjektwerdung von Kindern, die ihre ersten Worte heute meist über das
Fernsehen lernen.
Kulturelle Identitäten in Gefahr Umringt von zehn Monitoren sieht sich der Besucher bei der Installation
"Karaoke". Auf jedem Bildschirm flimmert ein anderes Gesicht. Jeder/jede
Sänger/Sängerin entstammt sichtbar einem anderen Kulturkreis. Vom Zentrum
der Installation aus klingen die Lieder dissonant, dabei singen alle
dasselbe Lied (Killing me softly). Der Song ist eine übergeordnete
Metapher für die Vielfalt der Sänger und dem daraus resultierenden "We are
the world"-Utopismus. Gleichzeitig soll der Besucher über die Verluste an
kulturellen Identitäten durch die internationale Unterhaltungsmaschinerie
reflektieren. Unendlich nostalgisch Vier international bekannte, sentimentale Liebeslieder sind der
Ausgangspunkt von "Four Duets". Jedes Duett besteht aus zwei sich
gegenüber stehenden Monitoren, die einen verstörenden Dialog führen. Das
Lied "Close to you" von Karen Carpenter wird zum Beispiel auf zwei
Endlos-Loops reduziert. Im linken Monitor bleibt die Sängerin auf
"me-me-me" beschränkt, während der rechte Monitor unaufhörlich
"you-you-you" stammelt. Filmverkürzung Clint Eastwood, Sharon Stone und Jack Nicholson werden in der
Videoinstallation "Soliloquy Trilogy" auf den in ihren Filmen von ihnen
tatsächlich gesprochenen Text reduziert. Der Film "Dirty Harry" mit Clint
Eastwood schmilzt so zu einem sechs Minuten langen Kurzfilmchen, das eine
Aneinanderreihung von Worten, Keuchen, Gemurmel und Grunzen ergibt. No Product Placement Bewusst schlampig sind die Eingriffe in der Arbeit "Group Portaits". In
Werbefotos mit Gruppenmotiven wurden die beworbenen Produkte
wegretuschiert. Candice Breitz verweist damit auf das Abwesende im Zentrum
unserer Warenwelt und darauf, dass der Konsum die vielleicht einzige
Verständigungsmöglichkeit innerhalb der globalisierten Welt ist. Internationaler Star Aufsehen erregt hat die derzeit in New York lebende Künstlerin mit
ihren Arbeiten bereits im New Yorker New Museum of Contemporary Art, bei
den Biennalen von Taipeh, Sao Paolo und Johannesburg. In der Ausstellung "Cuttings" im Linzer O.K. Centrum für Gegenwartskunst sind
vom 10. Mai - 15. Juli Fotoarbeiten und Videoinstallationen der
Südafrikanerin zu sehen. Bis 26. Juni wird die Künstlerin, die heuer noch
Einzelausstellungen in London, Hamburg und New York bestreitet, in Linz
als Artist-In-Residence leben und dabei ein neues Projekt entwickeln. Die
Präsentation findet am 26. Juni 2001 im O.K. Centrum für Gegenwartskunst
statt. | ||||||||||||
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