Popkultur und Identitäten

Mit ihren Foto- und Videoarbeiten hat die südafrikanische Künstlerin Candice Breitz international Furore gemacht. Im Linzer O.K. Centrum ist sie bis 15. Juli 2001 zu sehen.
Von Andreas Wolf.


Den weißen, weiblichen, mit Silikon bewehrten Torsi sieht man in der Seitenansicht. Die Beine sind angewinkelt. Die linke Hand umfasst lasziv die Pobacke. Anstatt des Unterschenkels bildet ein schwarzer, angewinkelter Arm die Fortsetzung des linken Beines. Das Gesicht der Figur ist nichtssagend schön und könnte aus einem internationalen Modemagazin stammen. Die Haare sind blond und wallen im Wind. Im Verhältnis zum übrigen Köper sind die Proportionen des Gesichtes zu groß. Der Kopf ist unnatürlich schräg auf die Schulter gelegt und wendet sich in der Frontalen dem Betrachter zu. Die Augen starren ausdruckslos ins Leere...

"Rainbow Series"

"Rainbow Series"

"Rainbow Series"

So heißt die in der chirurgischen Cut-and-Paste-
Technik entstandene Fotoserie der südafrikanischen Künstlerin Candice Breitz, mit der sie 1996 den internationalen Durchbruch geschafft hat. In den Fotomontagen werden schwarze mit weißen Körperteilen verbunden. Die Proportionen sind stark verzerrt. Die Zusammenstellung der Gliedmaßen erzeugt Fantasiewesen mit riesigen Brüsten, Beinen, die aus der Hüfte wachsen, oder weiße, gespreizte Riesenschenkel, die schwarze Miniaturoberkörper tragen. Das Ausgangsmaterial für ihre Collagen aus weißer Erotik und schwarzer Folklore hat Candice Breitz aus Fotografien, Pornomagazinen und Ethnologiezeitschriften.

"Rorschach Series"

Identitätsfindung

In ihrer Arbeit geht es der 1972 in Johannesburg geborenen Künstlerin um die Frage nach stabilen Identitäten. Die Wurzeln ihrer Arbeiten liegen einerseits in ihrer gesellschaftlichen Herkunft, als weiße, privilegierte Südafrikanerin, die im Apartheidsystem ihre Kindheit und einen Teil ihrer Jugend verbracht hat, andererseits seziert sie den globalen Starkult um internationale Pop- und Filmikonen. In ihren Video- und Fotoarbeiten vermischt sie die gängigen Klischees von Schwarz und Weiß und hinterfragt die heterogenen Lebensentwürfe der Popkultur und Unterhaltungsindustrie. Für ihre "Momentaufnahmen" löst sie ihre Figuren aus ihrem medialen und kulturellen Zusammenhang. Daraus ergeben sich komplexe Fragen nach den wahren Identitäten hinter den Bildern. Fotoausschnitte, Filmsequenzen und Sprache werden aus ihrem Kontext gerissen und neu zusammengesetzt. Dabei wird deutlich, wie die Sprachschablonen der Mainstream-Medien unseren verbalen und zwischenmenschlichen Umgang prägen.

"Ghost Series"

Popikonen als Sprachtrainer

In der "Babel Series" von 1999 hat Candice Breitz die Pop-Größen überarbeitet. Madonna, Sting, Prince und andere Helden des internationalen Unterhaltungs-Business' werden mittels bruchstückhafter Ausschnitte bekannter Musikvideos "komprimiert". Das Ergebnis sind an kindliche Plapperlaute erinnernde Wortfetzen und dissonante Beats. Durch die radikale Verkürzung von Sprache und Bildern erinnert die Künstlerin an die Subjektwerdung von Kindern, die ihre ersten Worte heute meist über das Fernsehen lernen.

"Babels Series"

Kulturelle Identitäten in Gefahr

Umringt von zehn Monitoren sieht sich der Besucher bei der Installation "Karaoke". Auf jedem Bildschirm flimmert ein anderes Gesicht. Jeder/jede Sänger/Sängerin entstammt sichtbar einem anderen Kulturkreis. Vom Zentrum der Installation aus klingen die Lieder dissonant, dabei singen alle dasselbe Lied (Killing me softly). Der Song ist eine übergeordnete Metapher für die Vielfalt der Sänger und dem daraus resultierenden "We are the world"-Utopismus. Gleichzeitig soll der Besucher über die Verluste an kulturellen Identitäten durch die internationale Unterhaltungsmaschinerie reflektieren.

Unendlich nostalgisch

Vier international bekannte, sentimentale Liebeslieder sind der Ausgangspunkt von "Four Duets". Jedes Duett besteht aus zwei sich gegenüber stehenden Monitoren, die einen verstörenden Dialog führen. Das Lied "Close to you" von Karen Carpenter wird zum Beispiel auf zwei Endlos-Loops reduziert. Im linken Monitor bleibt die Sängerin auf "me-me-me" beschränkt, während der rechte Monitor unaufhörlich "you-you-you" stammelt.

Filmverkürzung

Clint Eastwood, Sharon Stone und Jack Nicholson werden in der Videoinstallation "Soliloquy Trilogy" auf den in ihren Filmen von ihnen tatsächlich gesprochenen Text reduziert. Der Film "Dirty Harry" mit Clint Eastwood schmilzt so zu einem sechs Minuten langen Kurzfilmchen, das eine Aneinanderreihung von Worten, Keuchen, Gemurmel und Grunzen ergibt.

No Product Placement

Bewusst schlampig sind die Eingriffe in der Arbeit "Group Portaits". In Werbefotos mit Gruppenmotiven wurden die beworbenen Produkte wegretuschiert. Candice Breitz verweist damit auf das Abwesende im Zentrum unserer Warenwelt und darauf, dass der Konsum die vielleicht einzige Verständigungsmöglichkeit innerhalb der globalisierten Welt ist.

Internationaler Star

Aufsehen erregt hat die derzeit in New York lebende Künstlerin mit ihren Arbeiten bereits im New Yorker New Museum of Contemporary Art, bei den Biennalen von Taipeh, Sao Paolo und Johannesburg.

In der Ausstellung "Cuttings" im Linzer O.K. Centrum für Gegenwartskunst sind vom 10. Mai - 15. Juli Fotoarbeiten und Videoinstallationen der Südafrikanerin zu sehen. Bis 26. Juni wird die Künstlerin, die heuer noch Einzelausstellungen in London, Hamburg und New York bestreitet, in Linz als Artist-In-Residence leben und dabei ein neues Projekt entwickeln. Die Präsentation findet am 26. Juni 2001 im O.K. Centrum für Gegenwartskunst statt.

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