Die Kunsthalle Wien beschäftigt sich mit dem Thema Weltall und zeigt künstlerische Visionen und Utopien
Und zuhinterst liegt der Urknall
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Vladimir Dubossarsky & Alexander Vinogradov: "Cosmonaut No.1", 2006. Foto: Kunsthalle/Dubossarsky & Vinogradov
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Von Manisha Jothardy
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Der Schweizer Künstler Christian Waldvogel beschäftigt sich mit der Erde im Sonnensystem.
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Experimente auf Basis wissenschaftlicher Daten.
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Resultat sind Objekte, Fotografien und Grafiken.
"Wiener Zeitung": Der Mensch ist seit jeher vom Weltall fasziniert. Was reizt Sie daran? Christian Waldvogel:
Ich bin natürlich von der Weite des Weltraums fasziniert. Vor allem
aber verbindet sich damit für mich der Wunsch, von außen auf die Dinge
zu schauen.
Dieser Blick aus der Distanz entspricht ja grundsätzlich einer
künstlerischen Haltung und der damit verbundenen Hinterfragung des
Systems, in dem man lebt. Und das System ist – weit gefasst – das
Universum. Ich frage mich auch, ob der Mensch sich aus seiner Welt
hinausprojizieren kann, um auf sich selbst zurückzuschauen.
Für Ihren bei der Architekturbiennale Venedig 2004 vorgestellten
"Globus Cassus" müsste sich der Mensch quasi ins Erdinnere projizieren.
Er sieht die Umwandlung der Erde in eine hohle, auf der Innenseite
bewohnbare Sphäre vor. Welche Idee steckt dahinter?
"Globus Cassus" ist ein Gegenmodell zu unserer Welt, das es uns
ermöglicht, diese besser zu verstehen. Das Projekt ist detailliert
ausgearbeitet und integriert viele Technologien, die erst erfunden
werden müssten. Ebenso die Menschen, die dieses Hohlkonstrukt bevölkern
könnten.
In der Kunsthalle Wien zeigen Sie die Arbeit "Galileos Missing Argument". Was zeichnet sie aus?
Das ist auch eine klassische Blick-von-außen-Geschichte. Hätte
Galileo mit dem Inquisitionsgericht auf den Mond reisen können, wäre er
der Verurteilung entgangen. Er hätte dadurch beweisen können, dass sich
die Erde um ihre eigene Achse dreht.
Sie haben den historischen Gegebenheiten ein Kapitel hinzugefügt?
Ich habe an Galileos "Dialog über die zwei wichtigsten Weltsysteme,
das ptolemäische und das kopernikanische" weitergeschrieben und mich
dabei der Figuren bedient, denen Galileo im Original von 1632 seine
Überlegungen in den Mund gelegt hat. Die Texte sind Teil einer
Installation, zu der auch ein Leuchtkasten-Foto zählt. Es zeigt die Erde
vom Mond aus. Eine Woche, bevor Galileo der Prozess gemacht wurde.
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Aus"Galileo’s Missing Argument" (2010). Foto: Christian Waldvogel/VBK 2011
Das wäre ja ein vor der Erfindung der Fotografie entstandenes Foto?
Das ist natürlich simuliert. Da die Mondoberfläche unveränderlich ist
– man könnte dort einen Stein fallen lassen und er läge in 300 Jahren
noch dort –, lässt sich das rückwirkend den Tatsachen entsprechend
darstellen. Ich habe Aufnahmen der Nasa zusammengesetzt und die Position
der Erde, der Sonne und des Mondes in Galileos Zeit zurückgerechnet.
Sie bearbeiten für Ihre Arbeit öfter Aufnahmen der Nasa. Stellt
sich Ihnen in diesem Zusammenhang nicht auch die Frage nach dem
Wahrheitsgehalt von Bildern?
Die Wahrheit des Bildes ist ein schwieriges Thema. In gewisser Weise
arbeitet man ja immer mit bildgebenden Verfahren, die ja an sich schon
eine gewisse Form der Interpretation sind. Wenn ich auf diese Dateien
zurückgreife, interessiert mich mehr, welche Vorstellungen, welche
Momente des Staunens sie auslösen.
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Der Schweizer Künstler Christian Waldvogel. Foto: Jules Spinatsch
Denken Sie, dass der Weltraum als Sehnsuchtsort überhaupt noch
zur Verfügung steht? Den Traum von einer Reise ins All haben sich ein
paar Wohlhabende bereits erfüllt. Längst gibt es Bauvorhaben für
Hotelanlagen am Mond.
Ich glaube, dass all das in der Vorstellung viel besser ist. Die
Wahrheit ist ja mitunter sehr ernüchternd, auch aufgrund der zeitlichen
Begrenzung der Erlebnisse. Rein Imaginiertes kennt dagegen kein
zeitliches Limit.
Verbindet sich die Sehnsucht nach Unendlichkeit am meisten mit dem Nachdenken über das Universum?
Und die Sehnsucht nach der Frage unseres Ursprungs. Denn egal wohin ich schaue: Zuhinterst liegt der Urknall.
Siehe auch:
Im Kosmos des Sehnsuchtsraumes
Printausgabe vom Freitag, 01. April 2011
Update: Freitag, 01. April 2011 14:42:00