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vom 27.10.2010 - Seite 023
Vom Sex im Kunst-Schlaraffenland

Hingehen, anschauen! Die große Grafik-Ausstellung "Von Alt bis Schiele" im Schlossmuseum nämlich. Hochkarätiges aus der Sammlung des Gmundner Star-Anwalts und Kunstsammlers Walther Kastner (1902-1994), dessen Nachlass als Schenkung an das Oberösterreichische Landesmuseum gegangen ist.

Von Irene Gunnesch

Sie schmiegt sich sanft zwischen die Beine ihrer Geliebten. Umfasst mit der rechten Hand zärtlich, aber bestimmt in ihrer Absicht deren linke Brust.

Unfassbar, mit welch sparsamen gestalterischen Mitteln die Bleistiftzeichnung "Freundinnen" von Egon Schiele ein wahres Feuerwerk an erotischen Mitteilungen zündet. Der knappe, aber höchst lebendig geschriebene Beitext informiert, dass das Thema der lesbischen Liebe im Schaffen des berühmten österreichischen Künstlers eine wichtige Rolle gespielt hat. Auch jenes der Unschuld, die trotz aller Entblößung des Geschlechts aus der 1918 gefertigten Mädchenzeichnung spricht. Dabei sind die meisten der hier im Rahmen der Ausstellung aus der Schenkung Kastner gezeigten rund zwanzig Schiele-Werke oft "nur" Studien für Gemälde. Berühmtes trifft man ebenso, wie Überraschendes - etwa jenes Männerbildnis (1914), dessen fast geometrisch aufgebaute formale Bewältigung Oskar Schlemmer vorgreift. Auch Klimt ist in dieser Ausstellung im Südflügel-Untergeschoß vertreten. Trotz aller Reduktion (beim stehenden weiblichen Akt von 1903) in einer berührend intensiven Körperlichkeit.

Ein zeichnerisches Schlaraffenland haben die beiden Landesmuseums-Mitarbeiter Monika Oberchristl und Lothar Schultes aus der rund 1400 Werke umfassenden Kastner-Schenkung für diese erste Schau zusammengestellt. Launig verbrämte, informative Kurztexte, Fotomaterial und Beispiele aus dem durchaus begabten, eigenen bildnerischen Schaffen des Sammlers, sowie sein hierher transferiertes Arbeitszimmer, machen den Eindruck noch plastischer.

Angenehm überwältigt

Dem Biedermeier ist ein großer Teil der Präsentation gewidmet, die bis herauf zu Kokoschka und Fronius reicht. Und: Da sind nicht nur die erwähnten meisterhaft gezeichneten "Nackerpatzerln" sexy. Sex haben (in ihrer frappierenden Lebendigkeit) durchaus auch Franz Xaver Petters "Goldfische" aus dem Jahr 1926: Man wartet, dass sie ihr Maul aufreißen zum Blasenblubbern. Man vermeint fast den Atempuls ihrer zarten Kiemen zu sehen.

Und dass sich die Sanftheit von Berührungen auch rein über die Optik vermitteln kann, beweisen etwa die zarten, hochnaturalistischen, um 1924 entstandenen, Blumen-Gouachen von Moritz Michael Daffinger.

Atmosphärische Dichte atmen Rudolf von Alts berühmte Lithos, auch die weiß gehöhten Zeichnungen in ihrer faszinierenden räumlichen Tiefe. Wie gesagt: Eine Delikatesse reiht sich an die nächste. Ludwig Johann Passinis Materialstudien zum Thema "Seide" etwa, die selbst im Kleinstformat virtuos Glanz und Schwere des kostbaren Stoffes vermitteln. Weiters Josef Kriehubers Damenbildnisse, die uns einen Blick auf die Frisierkunst um 1825 werfen lassen, Stöbers Künstler-Porträts, Moritz von Schwinds treffende Situationskomik.

Höchste Qualität in einer Fülle, die überwältigt, und zwar angenehmst.

Info: Noch bis 9. Jänner 2011,

www.schlossmuseum.at

Moritz Michael Daffinger

Erotisches Feuerwerk: Egon Schieles "Freundinnen"




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