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Ausstellung: Mit Max Weiler auf dem Gerüst

21.06.2010 | 19:07 | EDITH SCHLOCKER (Die Presse)

"Max Weiler - Die großen Werke" in Innsbruck: Anhand der Arbeiten für den öffentlichen Raum wird ein außergewöhnliches Lebenswerk erforscht. Neun Jahre nach seinem Tod ist er unumstrittener Tiroler Paradekünstler.

Als Max Weiler 1946 in einer seiner Fresken für die Innsbrucker Theresienkirche einen Bauern in Tiroler Tracht seine Lanze in das Herz des gekreuzigten Jesus stechen ließ, kochte die Volksseele: Die Vokabel „entartet“ geisterte durch die Gazetten, von Blasphemie war die Rede. Im Namen des gesamten Bauernstandes klagte ein Landarbeiter den Künstler, der wurde aber freigesprochen. Der Bischof verbot jede weitere Malerei in der kleinen Kirche. Ein Interdikt des Vatikans drohte, Weiler verhängte 1950 für acht Jahre seine Fresken.

Heute, neun Jahre nach seinem Tod, ist der Skandalmaler unumstrittener Tiroler Paradekünstler. Sein 100.Geburtstag am 27.August 2010 ist auch für Wolfgang Meighörner, Direktor des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum, „ein unausweichliches Datum“, um Weiler als Großen der klassischen Moderne zu feiern. Ähnlich dachten offenbar auch andere Museumsleute, so ist Arbeitsteilung angesagt: Das Essl-Museum präsentierte bereits Weilers Malerei, 2011 zeigt die Albertina seine Grafik. Für das Ferdinandeum bleibt Weilers öffentliches Werk, das sich zu 80 Prozent in Tirol befindet und für den Künstler weit mehr als eine Möglichkeit materiellen Überlebens war: „Große Wandbilder sind eine Gelegenheit, sozusagen zu vielen Menschen, zu Massen gleichzeitig zu sprechen“, sagte Weiler.

Seine im öffentlichen Raum ausgeführten Arbeiten sind im riesigen Œuvre nur eine kleine Facette: Von 60 Projekten wurden gut 40 umgesetzt. Da hieß es viel auf Gerüsten stehen: So hat Architekt Christopher Grüner das ausstellungstechnisch problematische Foyer des Landesmuseums in eine Baustelle verwandelt. Auf die rohen Metallgerüste wurden Platten montiert, darauf Skizzen, Vorzeichnungen, Malereien oder Kartone zu den Arbeiten gepinnt. Prinzipiell eine hübsche, viel Hängefläche schaffende Idee, wäre die Umsetzung nicht gar so banal.

Kurator Günther Dankl verzichtet in der Schau auf Dokumentationsfotos und beschränkt sich auf im Vorfeld entstandene Arbeiten, die zeigen, wie intensiv sich Weiler mit dem jeweiligen Thema und den kleinsten Details auseinandersetzte – ob Aspekte des Farbigen, Formalen oder Kompositorischen. Wobei für Weiler eine große Wandarbeit immer „der Abschluss einer gewissen Phase der Bildbewältigung“ bedeutete, um frei zu sein für neue künstlerische Entdeckungsreisen, für eine neue Phase eines Werks, das gerade seine Brüche, seine Wandlungen und Neuanfänge so interessant macht.

Weiler arbeitete in allen Werkphasen für den öffentlichen Raum, in diversen Größen – vom kleinen Bildstock bis zum 100-Quadratmeter-Wandbild – und Techniken: Fresken, Graffiti, Glasfenster, Wandmalereien mit Silikatfarben, Mosaike, mit der Wand fest verbundene Leinwände. So führt die Ausstellung durch ein außergewöhnliches Lebenswerk, beginnend mit frühen Kirchenfenster-Entwürfen, die noch eine neusachlich strenge, symbolistische Naturmystik prägen.

 

Der Maler und das Musikgenie Mozart

Den größten Raum nehmen Arbeiten der Vierziger- und Fünfzigerjahre ein: Bei Fresken für den Innsbrucker Hauptbahnhof erregte eine unkonventionelle Darstellung des Gestern und Heute erneut die Gemüter. Dann vollzieht sich ein Wandel ins Ungegenständliche, mit raffiniert in der Fläche zelebrierten Neuschöpfungen parallel zur Natur, die sich ab den Sechzigerjahren verdüstern, um sich im heiteren Spätwerk wieder aufzuhellen, wie im monumentalen Deckenbild der Pfarrkirche Mayrhofen oder dem Wandbild „Wie eine Symphonie“ für die Salzburger Landesausstellung „Mozart – Bilder und Klänge“. Weiler war mit 80 Jahren selbstbewusst genug, sein Weltbild mit seinen Mitteln als Maler dem des Musikgenies Mozart gegenüberzustellen.


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