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vom 02.09.2005 - Seite 021
Von Windmaschinen und Brandreden

VON SILVIA NAGL

Seit gestern widmet sich das nunmehr 26. Festival Ars Electronica unter dem Thema "Hybrid - Living in Paradox" der Fragestellung nach dem Hybriden in unserer Lebenswelt, dem Zusammentreffen und Vermischen von Kunst und Realität, Gesellschaften und Kulturen.

Die traditionelle "CyberArts"-Schau im Linzer O.K Centrum für Gegenwartskunst zeigt die Preisträger und besten Einreichungen des Prix Ars Electronica. Zwei Stunden sollte man sich für diese aufwändige Schau Zeit nehmen.

Diese Installation wird wohl vor allem beim jugendlichen Publikum ein Renner - im doppelten Sinn des Wortes - werden: Bei "Run Motherfucker Run" von Marnix de Nijs/Holland kann jeder mit halbwegs guter Kondition auf einem Laufband durch eine virtuelle Stadt gehen, laufen, rasen. Vor dem Laufband ist eine Projektionswand platziert, auf der dieser virtuelle nächtliche Abenteuertrip zu lauter Musik und geheimnisvollen Bildern abläuft. Dafür gab es einen Anerkennungspreis in der Kategorie "Interaktive Kunst".

Mehr als 3000 Künstler und Künstlerinnen haben heuer ihre Werke beim 19. Prix Ars Electronica eingereicht. In sechs Kategorien werden die Goldene Nica und Auszeichnungen vergeben. 19 Projekte davon sind im O.K zu sehen. Das geht von unspektakulären Dokumentationen auf Bildschirm über ein Bildschirm-Tennismatch für Unsportliche bis hin zu beispielsweise der hübschen Installation "POD/Wind Array Cascade Machine" von Steve Heimbecker aus Kanada: Bewegungssensoren messen auf einem Hausdach in Montreal die Windgeschwindigkeit. Diese Daten ergeben einen windigen Gruß aus Montreal in Form eines sich ständig änderndes Stäbchenmusters.

Ironisch der Beitrag "Firebirds" von Paul deMarinis, der politische Reden aus 1935/36 zu sprechenden Flammen in Vogelkäfigen werden lässt, was die Stimme Hitlers bei einer seiner "Brandreden" noch lächerlicher als sonst wirken lässt. Das Goldene Nica-Gewinnerprojekt präsentiert sich erst auf den zweiten, genaueren Blick als nachdenklich machendes, sozial engagiertes und gut recherchiertes Projekt: "MILKproject" von Esther Polak und Ieva Auzina zeigt den Weg auf, den Milch von lettischen Kühen bis zum Käsemarkt nach Utrecht macht.

Info: Bis 6. 9.von 10-24 Uhr, bis 18.9. (Di.-Do. 16-22, Fr. 16-24, Sa. und So. 10-18 Uhr).

Rennen, was die Kondition hergibt Foto: Saxinger

www.ok-centrum.at

HYBRID: Virtuelle und reale Abenteuertrips


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