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05.12.2002 15:05

Gähnen im Quartier 21
Viel Ärger drei Monate nach Eröffnung



Wien - In einem menschenleeren, teils vermüllten, teils unfertigen Zustand präsentierte sich das am 13. September als "Kulturflaniermeile" eröffnete Quartier 21 im Fischer-von-Erlach-Trakt des MuseumsQuartiers (MQ) bei vier APA-Lokalaugenscheinen; Ärger der Nutzer und Vertröstung seitens der Betreiber wurden registriert:

Der Zustand der Räumlichkeiten der so genannten "Electric Avenue" kann, angesichts einer pompös inszenierten Eröffnung vor knapp drei Monaten, nicht anders als desaströs beschrieben werden. Wo buntes, turbulentes Kulturleben versprochen war, herrscht weitgehend Ödnis und Wüste. Bierkisten, Papierschlangen und alte Plakate zeugen von der längst vergangenen Eröffnungsparty, nicht aber von laufender Kulturarbeit. Auf den (bequemen) Sitzpölstern sich ausruhende Passanten sowie mit Büchern und Walkman gegen die Einsamkeit bewaffnete Mitglieder weniger Institutionen bestimmen das Bild, zu Gesprächen oder Austausch mit den Kulturschaffenden lädt die Flaniermeile derzeit nicht ein.

Anstelle der versprochenen Durchgängigkeit der Räumlichkeiten trifft man bei der Buchhandlung Prachner auf eine (auch untertags) versperrte Glastüre - "Derzeit kein Durchgang", wird das Offensichtliche auf einem auf dieser Tür affichierten Zettel benannt. Dafür darf man sich in der MQ Kantine so richtig gefrotzelt fühlen.

"Wir eröffnen im Oktober", lacht es von Plakaten herunter, dem Augenschein zum Trotz. Scherzbolde haben mit Filzstift nachträglich die Jahreszahlen 2004 bzw. 2005 ergänzt. Aufgesperrt wäre das Lokal genau zwei Mal gewesen, heißt es im MQ Ticket Center: "Für die Eröffnung und für die lange Nacht der Museen."

"Weitgehend abgeschlossen"

Dass es Mängel gebe, gibt MQ-Geschäftsführer Wolfgang Waldner gegenüber zu. Die Bauarbeiten seien jedoch ausgerechnet am Vortag des Gespräches "weitgehend abgeschlossen" worden, die Mängelbehebung werde weiterlaufen. Der Durchgang von der Buchhandlung in die Electric Avenue werde in den kommenden Tagen geöffnet sein, die Verzögerungen hätten sich auf Grund von Problemen mit einer Subfirma ergeben, so Waldner, der betonte, dass nicht nur die Flaniermeile, sondern auch der bereits abgenommene Ovaltrakt zum Quartier 21 gehört.

Er finde nicht, dass das Quartier 21 zu früh eröffnet worden ist, sondern wollte sich mit dem Termin "selber unter Druck setzen" und eine "Großeröffnung" zu einem Termin veranstalten, wo man auch im Freien Programm bieten kann, meint Waldner.

Die Kulturmeile sei "natürlich ein work in progress", bei dem "Feinjustierungen" notwendig seien. Waldner sei bereit, gemeinsam mit den Nutzern Adaptionen der Räume zu verwirklichen. Angesichts der noch nicht gegebenen Durchgängigkeit müsse man sich die Alternative vor Augen halten, nämlich "alles ist zu und nicht durchgängig". Insgesamt habe es bisher im Quartier 21 150 Veranstaltungen mit über 20.000 Besuchern gegeben. "Dass nicht immer alle zufrieden sind, ist klar".

Monochrom-"Zweckoptimismus"

Die Stellung halten derzeit nur wenige, etwa die "Kulturkontakte", das Kleidergeschäft "Polyklamott" und die Bundesländergalerie "A9 forum transeuropa" - alle freilich erst nachmittags. Von der täglich zwischen 10 und 22 Uhr versprochenen "Schaufenster-Situation" entlang zweier Themenstraßen ist keine Rede.

Monochrom-Vorsitzender und "Zweckoptimist" Johannes Grenzfurthner zeigt sich im Gespräch "sowohl zufrieden als auch unzufrieden". Da einiges, wie die versprochene Toilette und eine Teeküche, nicht fertig ist, zahlt die Künstlergruppe - wie auch andere Nutzer - auf Angebot der MQ-Betriebsgesellschaft nur die Betriebskosten, aber noch keine Miete für die Räumlichkeiten. Derzeit werde ein Diebstahlsschutz errichtet, da sonst "leicht über den Zaun geklettert und etwas gestohlen werden" könnte, so Grenzfurthner.

Gut funktioniere die "PR-Maschinerie" des MQs, angekündigte Veranstaltungen würden gut besucht. "Als Veranstaltungsort ist es perfekt". Probleme gebe es derzeit mit den Mietern der Wohnungen, die sich schon kurz nach 20 Uhr bei der vergangenen "monochrom"-Veranstaltung über die Lautstärke beschwert hatten, obwohl bis 22 Uhr Veranstaltungslautstärke zugesichert wurde. "Aber da müssen sich die Mieter daran gewöhnen und wir auf stur schalten. Die Betriebsgesellschaft vermittelt da auch".

Schnell, aber schleißig

Andere Nutzer machen aus ihrem Zorn kein Hehl. "Der Eröffnungstermin war ein Potemkinsches Dorf. De facto hätte man nicht eröffnen dürfen", meint etwa Brigitte Groihofer, Galerieleiterin des "A9 forum transeuropa". Um den fixierten Termin zu halten, wäre offenbar schnell, aber schleißig gearbeitet worden. Vieles müsse nun nachgeholt oder völlig neu gemacht werden - was das Quartier 21 nach wie vor zur Baustelle mache. Es fehle auch an der längst versprochenen Infrastruktur. Ohne Telefon- und Internetverbindung (Waldner: "Wir sind nur für die Leerverrohrung verantwortlich.") lasse sich eben kein Bürobetrieb aufbauen, und auch der für die erste Ausstellung vorgesehene Online-Infoscreen habe nie installiert werden können. "Von den Nutzern ist kaum wer vor Ort - wer hier war, ist wieder ausgezogen."

Kein Medienquartier

Das Medienquartier21 nützt seine Räume derzeit gar nicht. Bis die für einen Ausstellungsbetrieb notwendigen Arbeiten abgeschlossen sind, hat man dem MQ den Schlüssel zurückgegeben, wie auch Waldner bestätigt. "Ich fühle mich noch nicht als Mieter", so Elisabeth Haas im Gespräch. Sie habe noch keinen Termin für den Einzug erhalten, was "schon problematisch" sei. Sie zeigt sich "tendenziell frustriert", habe aber "auch noch andere Projekte".

Strukturelles Problem

Zufrieden zeigt sich hingegen Hermann Fankhauser von Wendy&Jim, die im Quartier 21 den Moderaum "Found for You" betreiben: "Alles, was wir brauchen, ist vorhanden", so Fankhauser, der betonte, dass Wendy&Jim vor Ort nur Veranstaltungen kuratierten. "Wir haben daher natürlich eine andere Position als die übrigen Nutzer". Mit der auch internationalen Resonanz sei man "sehr zufrieden". Bei den bisherigen Veranstaltungen wurden einmal rund 150, bei einer Lesung rund 40 Besucher gezählt.

Ganze drei Besucher pro Tag seien hingegen bei "transeuropa" nichts Ungewöhnliches, heißt es. Bei den Lokalaugenscheinen war die benachbarte Erste Bank Arena für Veranstaltungen (oder deren Vorbereitung) meist gesperrt. Hier wird ein strukturelles Problem offenkundig: Nicht nur die Buchhandlung Prachner liegt außerhalb ihrer Öffnungszeiten als Sperrriegel in der Mitte des Areals, auch die mietbaren Veranstaltungsräume behindern den Kulturflaneur entscheidend. "Nachdem diese als Cash-Cows gesehen werden, sind sie derzeit fast täglich vermietet und in dieser Zeit für normale Besucher geschlossen", schildert Groihofer, "dann sind wir zwischen diesen Hallen eingezwängt und jemand, der uns nicht ganz gezielt sucht, kommt gar nicht zu uns." (APA)


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