Salzburger Nachrichten am 03. März 2004 - Bereich: kultur
Der Standpunkt

Hätte der Künstler Otto Muehl nicht in den 60er Jahren maßgeblich an der Entwicklung des Wiener Aktionismus mitgewirkt, sein plakativ-buntes Spätwerk wäre wohl nicht dazu angetan, ihn mit einer großen Ausstellung im Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) zu würdigen. Doch gemeinsam mit Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler und Günter Brus hat Muehl einen Beitrag zur internationalen Kunstgeschichte geschrieben, auch wenn er später bei seinem Schritt, Kunst und Leben im Kommunenleben zusammenzuführen, mehrfach Schiffbruch erlitten hat.

Die Aktionismus-Aufarbeitung boomt. Wien erinnert sich der einst angefeindeten, des Landes verwiesenen Künstler. Den Verleumdungen und Verfolgungen der Vergangenheit folgen seit einiger Zeit Würdigungen und Auszeichnungen. Zu Recht. Der durch den Aktionismus sichtbar gewordene Aufschrei gegen eine von Engstirnigkeit und Moderne-Feindlichkeit geprägte Haltung im Nachkriegs-Österreich hat nicht nur im Betriebssystem Kunst nachhaltige Wirkung hinterlassen.

Die Rebellen von einst sind heute in die Jahre gekommen. Problematisch bei Muehl: Der 78-jährige Künstler ist ein verurteilter Sexualstraftäter, die Delikte, deretwegen er zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, haben sich in der Kommune Friedrichshof zugetragen. Eine Ausstellung über diese Zeit komme einer Verhöhnung der Opfer gleich, kritisieren geläuterte Ex-Mitstreiter von Otto Muehl. Verletzte Gefühle der Betroffenen sind verständlich, die Dokumentation eines ,,schlussendlich auch gescheiterten Versuches, die Welt durch Kunst zu verändern" (MAK-Einladung) ist aber legitim. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch sind freilich niemals Kunst. Das wissen auch die Ausstellungsmacher. Aber die Kommunenzeit aus der Biographie Muehls zu ,,löschen", wäre verlogen.

Fast schon traurig: Der Künstler, der seine Strafe abgesessen hat, fügt mit primitiven Provokationsattitüden und anderer peinlicher Skandalheischerei sich selbst Schaden zu.