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Adele, ade!

Österreich liebt seine Klimts. Nun sind ihm einige abhanden gekommen. Dabei handelt es sich nur um die Fortsetzung einer verfehlten staatlichen Sammlungspolitik.
 
Falter 04/2006 vom 25.1.2006
Ressort Kultur > Kunst
Autor Matthias Dusini

Infobox „Gemeint waren nur Gehrer und Frodl“

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Ausstellungen des Malers Gustav Klimt waren immer ein Erfolg. Die Retrospektive in der Secession zog etwa 24.000 Besucher an. Und das, obwohl die Umstände für einen Besuch der Ausstellung nicht gerade günstig waren. Sie fand nämlich im Kriegsjahr 1943 statt. Kuratiert wurde sie vom Direktor der Österreichischen Galerie im Belvedere, dem Kunsthistoriker Bruno Grimschitz.
Eines der Hauptwerke der Schau war das Porträt einer Frau, deren Kopf aus einer goldfarbenen Tapete ragt. Es hieß „Damenbildnis mit Goldhintergrund“ (1907). Der ursprüngliche Titel lautete „Adele Bloch- Bauer I“ und wurde von den nationalsozialistischen Klimt-Spezialisten „entjudet“. Es ist jenes Bild, das nun von einem von Grimschitz’ Nachfolgern, Gerbert Frodl, an die rechtmäßigen Erben ausgehändigt werden muss. Sein Wert wird derzeit auf über hundert Millionen Euro geschätzt. Ob es der Republik über einen langfristigen Bankkredit gelingen wird, die Bilder anzukaufen, oder großzügige private Sponsoren es schaffen werden, eines oder mehrere der Bilder in Österreich zu halten, darüber wird derzeit verhandelt (siehe Infobox: Interview mit Maria Altmann).
Der Klimt-Experte Wolfgang Fischer nannte die „goldene Adele“ die „Mona Lisa“ Österreichs. Der Kunsthistoriker Artur Rosenauer sieht in dem Verlust der Bilder so etwas wie „einen kulturellen Supergau“. Sie seien „Patrimonium unserer Republik so wie die ,Meninas‘ von Velazquez für Spanien, die ,Nachtwache‘ Rembrandts für die Niederlande“. Rosenauer saß in jenem Kunstrückgabebeirat, der 1999 über die Rechtmäßigkeit des Eigentums der Bilder befinden sollte. Rosenauer empfahl damals, wie die Mehrheit der Kommissionsmitglieder, der Kulturministerin Elisabeth Gehrer: „Die Bilder bleiben hier.“
„Die Rückgabe dieser Hauptwerke von Gustav Klimt bedeutet einen immensen Verlust für das Kulturland Österreich. Die Österreichische Galerie Belvedere unterstützt massiv die Bemühungen zur Erwerbung dieser Gemälde“, stand am Mittwoch vergangener Woche auf einer Tafel vor „Adele I“ – kein Wort der Entschuldigung, kein Hinweis auf die verbrecherische Vorgangsweise, mit der das Museum in den Besitz dieser Bilder gelangte.
Zum Beispiel das Bild „Adele Bloch-Bauer I“. Es wurde 1941 zusammen mit dem Bild „Apfelbaum I“ von der Österreichischen Galerie durch einen Deal mit dem Regisseur Gustav Ucicky erworben, der im selben Jahr den nationalsozialistischen Propagandafilm „Heimkehr“ drehte. Ucicky zahlte für das Landschaftsbild „Schloss Kammer am Attersee“, das der Sammler Ferdinand Bloch-Bauer 1936 dem Museum geschenkt hatte, 6000 Reichsmark. Die Kunstsammlung des Zuckerfabrikanten Bloch-Bauer war, wie sein gesamtes Vermögen, aufgrund rassistisch motivierter Strafsteuern gepfändet worden. Formal wurden die Rechte des rechtlosen Exilanten von einem Anwalt vertreten, der das Palais, die Fabrik, die wertvolle Porzellansammlung, Gemälde des 19. Jahrhunderts und Tapisserien bereits verschachert hatte. Auf den Klimts blieb er zunächst sitzen, stand der Secessionskünstler doch bei den NS-Kulturfunktionären nicht so hoch im Kurs. Neben Klimts unehelichem Sohn Ucicky erkannte vor allem ein Museumsmann den Wert der Klimt’schen Bilder, der Belvedere- Direktor Grimschitz. Ucicky bekam die Landschaft aus Museumsbesitz, dafür schnappte sich das Museum das „Damenbildnis“.
Wie versteinert steht Belvedere-Direktor Gerbert Frodl beim Interview neben einigen Skulpturen im Nebenraum des Klimt-Zimmers. Kurz darauf wird er beschließen, die Bilder abzuhängen – ein unbekannter E-Mail-Schreiber drohte, die Bilder zu zerstören, ehe sie ins Ausland abwandern würden. „Meine Funktion sehe ich darin klarzumachen, dass sie für das Land sehr wichtig sind“, sagt Frodl trotzig. Er sei froh, dass endlich eine Entscheidung gefallen sei. „Es war keine Überraschung. Bei einem Schiedsgericht gibt es nur zwei Möglichkeiten: ja oder nein.“ Nach der negativen Entscheidung des Beirats hatte der Klägeranwalt E. Randol Schoenberg den Rechtsweg beschritten. Nachdem die zu hinterlegenden Gerichtskosten in Österreich zu hoch gewesen wären (1,74 Millionen Euro), reichte Schoenberg die Klage bei einem US-Gericht ein.
„Man hat sich lustig gemacht über ihn“, erinnert sich der Journalist Hubertus Czernin, dessen Recherchen den Fall erst ins Rollen gebracht hatten, an die Stimmung am Anfang des Verfahrens. Niemand glaubte daran, dass schließlich der Oberste Gerichtshof die Klage gegen einen anderen Staat in den Vereinigten Staaten zulassen würde. Immerhin hatte die US-Regierung als „Rechtsfreund“ die Position Österreichs unterstützt. Ehe es zum eigentlichen Prozess kam, stimmten die Kläger und die Republik Österreich vertreten durch die Finanzprokuratur einer Schiedskommission zu. Deren Entscheidung lautete: „Die Bilder müssen zurück.“ Geschätzte 800.000 Euro an Gerichtskosten überwies die Republik zwischen 2000 und 2004 jährlich an die US-Behörden.
Dem Belvedere-Direktor ist das Lachen inzwischen vergangen. Im letzten Jahr seiner Tätigkeit muss er die Konsequenzen daraus ziehen, dass die Verstaatlichung der Kunst der Wiener Moderne in seinem Museum alles andere als vornehm vonstatten ging. Frodls Vater war NS- Gaukonservator von Kärnten und half schon mal den Wiener Kollegen beim Inventarisieren jüdischer Sammlungen aus. Auf die Frage, ob dieser biografische Hintergrund seine Distanz zum Thema Restitution erschwere, meint Frodl, nein, sicher nicht, denn er habe kaum Kontakt zu dem von der Mutter getrennt lebenden Vater gehabt. „Die Enkel fragen halt mehr nach als die Kinder“, meint er in Hinblick auf die Aufarbeitung der Vergangenheit.
Es ist eine traurige Tatsache, dass die Wiener Museen erst nach dem Anschluss 1938 daran gingen, Werke der Wiener Moderne systematisch zu sammeln. Besonders Direktor Grimschitz bewies eine starke Affinität zur Kunst von Klimt, Egon Schiele, sogar zu jener Oskar Kokoschkas, die auf der Liste der sogenannten Verfallskunst stand. Im Gegensatz zu deutschen Museen waren die Beispiele moderner Kunst rar. Einen van Gogh und einen Segantini schenkte die Künstlervereinigung Secession der ursprünglich Moderne Galerie genannten Österreichischen Galerie. Gesammelt wurde fast nur von Privaten und auch nur das, was von den lokalen Künstlern geschätzt wurde, das heißt, kein Kubismus, kein Futurismus, kein deutscher Expressionismus, mithin nichts von dem, was später als „entartete Kunst“ bezeichnet wurde. Die fetten Kulturbudgets des Reichsstatthalters Baldur von Schirach gestatteten dann größere Ankäufe der lokalen Moderne.
Eine Kunstsammlung gehörte vor 1938 zur repräsentativen Ausstattung großbürgerlicher Wohnungen. Die Bilder von Gustav Klimt oder Möbel der Wiener Werkstätte signalisierten in den historistischen Palais der Ringstraße ein Bekenntnis zur moderaten Moderne. Das liberal gesinnte, jüdische Großbürgertum sah in der Freiheit der Kunst einen Verbündeten im Kampf gegen gesellschaftliche Diskriminierung im antisemitischen, radikal antimodernen Klima Wiens.
Als Gustav Klimt 1905 im Auftrag des Unterrichtsministers einige Deckengemälde für die Universität malen sollte, wurden seine Entwürfe derart heftig angegriffen, dass er seine Bilder zurückzog und das Honorar zurückzahlte. Daraufhin war er auf seine privaten Förderer angewiesen, etwa auf die Bloch-Bauers. Zwei Jahre nach dem Uni- Skandal lieferte er das Porträt der damals 26-jährigen Adele ab. Bevor diese 1925 starb, bat sie ihren Mann im Testament, die Klimts nach seinem Tod der Österreichischen Galerie zu hinterlassen. Die wartete aber nicht so lange und holte sich die Bilder schon vorher. In seinem eigenen, 1945 verfassten Testament denkt Bloch-Bauer nicht daran, dem Belvedere auch nur einen Pinselstrich zu hinterlassen.
Durch das Kunstrestitutionsgesetz 1998 wurden die Bestände öffentlicher Museen nach Erwerbungen zwischen 1938 und 1945 durchforstet. Auch das nach 1945 erfasste Eigentum wurde untersucht, denn auch hier war die Sammlungspolitik der Museen fragwürdig. Aufgrund des Ausfuhrverbotsgesetzes, das nach dem Ersten Weltkrieg die Ansprüche der Kronländer auf die Habsburger-Sammlungen verhindern sollte, wurde mit den im Ausland lebenden Exilösterreichern meist ein fieser Deal ausgehandelt. Auch Maria Altmann und ihren Geschwistern wurde gesagt: „Einen Waldmüller und einen Pettenkofen dürft ihr mitnehmen, wenn die Klimts hier bleiben.“ Nicht diese Vorgangsweise war aber ausschlaggebend für die Entscheidung der Schiedskommission, sondern Adeles Testament von 1923. Der an ihren Mann gerichtete Wunsch wurde als nicht verbindlich eingestuft. Ihre Nichte Maria Altmann wusste das schon vorher: „Glauben Sie, dass sie ein Legat zugunsten der Galerie gemacht hätte, nachdem alles geplündert und geraubt worden war?“
Aufgrund von Empfehlungen des Beirats gab Ministerin Gehrer inzwischen über 4000 Kunstwerke zur Rückgabe frei, auch vier Klimt- Gemälde aus dem Belvedere. „Das Landhaus am Attersee“ erzielte 2003 bei einer Auktion einen Preis von 29 Millionen US-Dollar. Warum wird der Wert von „Adele I“ aber ungleich höher eingeschätzt?
„Es ist leider das wichtigste Bild“, sagt der Klimt-Forscher Rainer Metzger. Er sieht darin eine „einzigartige Mischung aus einem erstarrten Ornament und der Physiognomie eines in Mitleidenschaft gezogenen Körpers“. Gerade der Kontrast zum zweiten Porträt von Adele Bloch-Bauer, das fünf Jahre später entstand und nun ebenfalls zurückgegeben werden muss, sei besonders reizvoll. Unter dem Einfluss von Henri Matisse habe Klimt bereits mit einem befreiten Pinselstrich an die internationale modernistische Malerei angedockt.
An die Ikonen des 20. Jahrhunderts, etwa Marcel Duchamps Ready- Mades (ab 1914) oder Kasimir Malevitschs „Schwarzes Quadrat“ (1915), reicht die „Goldene Adele“ dennoch nicht heran. Sie ist nur insofern die „Mona Lisa“ Österreichs, weil das Bild Leonardos ein Mythos des 19. Jahrhunderts ist und die Secessionskünstler den Künstlerkult dieses Jahrhunderts auf die Spitze trieben. So ist das Klimt-Werk das letzte Meisterwerk des 19. und nicht das erste des 20. Jahrhunderts. Auch wäre ein Ankauf des Bildes um hundert Millionen Euro bar jeder Sammlungslogik. Gerade einmal 35.000 Euro stehen dem Belvedere für Ankäufe für Gegenwartskunst, die Klimts von heute also, zur Verfügung.
Es hätte aber auch anders kommen können. „Mir hat man in Wien und Böhmen alles genommen. Nicht ein Andenken ist mir geblieben. Vielleicht bekomme ich die zwei Porträts meiner armen Frau (Klimt) und mein Porträt“, schrieb Ferdinand Bloch-Bauer 1941 aus Zürich an den Künstler Oskar Kokoschka. Tatsächlich brachte ihm sein Wiener Anwalt im Spätsommer 1944 das von Kokoschka gemalte Porträt nach Zürich. Es trug den Stempel „entartet“ und durfte daher ins Ausland. Zwei Wochen nach der Übergabe des Porträts ging der „brave alte Zuckerkönig“ (so Kokoschka 1936 über seinen Auftraggeber) in das Kunsthaus Zürich und schenkte dem Museum das Bild.

Literatur zum Thema:

Hubertus Czernin: Die Fälschung. Band I und II. Wien 1999 (Czernin Verlag), 511 S., zusammen EUR 28,95
Gabriele Anderl/Alexandra Caruso (Hg.): NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen. Innsbruck, Wien, Bozen 2005 (Studien Verlag), 313 S., EUR 33,–

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