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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
15. Oktober 2006
20:38 MESZ
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a href="http://www.kunsthallewien.at" target="_blank">Kunsthalle Wien
Bis 25. Februar. 
Foto: Kunsthalle Wien
Raymond Pettibon: Reflexionen über Reales.

Es wird dunkel an der Westküste
Die Kunsthalle Wien zeigt eine Retrospektive auf Raymond Pettibon - "Es gibt immer einen unmittelbaren Zorn in meiner Arbeit", erklärt der US-Künstler

Wien - "What ever it is you are looking for you won't find it here." Stimmt, aber man ist nahe dran. Die Kunsthalle Wien zeigt eine Retrospektive auf das Werk von Raymond Pettibon. Er ist Zeichner, er ist Literat. Pettibon ist so etwas wie die Summe vieler Marken, die er verwendet, er nutzt und er deutet.

Die Distillery Pettibon hat seit ihren Anfängen im Umfeld der kalifornischen Hardcore-Punkszene Fine Schnaps von hohem Wiedererkennungswert entwickelt, schwarz-weißen Health-Bitter, fallweise mit Rot oder Blau gespritzt. Flyer, Plakate, Plattencover waren die ersten Produkte, Gregg Ginn, sein Bruder, Gitarrist von Black Flag und Mitbegründer von SST Records, die ersten Begünstigten von Pettibons Destillaten, dessen, was Amerika ausmacht, den (Gründungs-)Mythen, die sich um das "promised" Land ranken.

Batman und Charles Manson sind ebenso unverzichtbar wie - stellvertretend für alle anderen - deren Penisse; die Lokomotive als Pflugschar der Landnahme zählt ebenso zum Repertoire wie der Surfer, der Baseballspieler, der abgetakelte Detektiv, die latent mörderische Femme-Fatale, der Edelgangster und die billige Nutte, der Atompilz und die Glühbirne als Lichtquelle im Comic-Hell-Dunkel.

Um diese sämtlich ins Bild zu setzen, hat Pettibon alle verfügbaren Anleihen aufgenommen: die Comics von Milton Caniff oder John Curby, die Bildsprache des Film noire, den Kitsch der Hippies, den Surfer und seinen Zwilling die Welle, die bekannten Studien vom Milleu der Pferdewetten, den abstrusen Kult um die US-Flagge.

"Ich sehe mich nicht als explizit politischen Künstler", meint Pettibon, "aber ich zucke vor diesem Thema auch nicht zurück. Ich glaube, es gibt niemanden - weder in der Kunst noch anderswo -, der sich mit gesellschaftlichen Realitäten auseinandersetzt wie ich. Und das bedeutet in aller Kürze: Selbst der Präsident hat nicht automatisch das Recht, von jedermann respektiert zu werden. Es gibt immer einen unmittelbaren Zorn in meiner Arbeit. Und der betrifft vor allem die Macht, die Dekadenz und die Korruption."

In seinen "Sprechblasen" und Bildbeschriftungen nimmt Pettibon oft andere - unamerikanische - Anleihen, zitiert Wittgenstein, Pascal oder Augustinus. Hauptsache die Abseitigkeit bleibt gewahrt, die Ahnung von Tiefe hinter dem scheinbar schnellen Erfassen von Oberfläche. (Markus Mittringer /DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2006)


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