Salzburger Nachrichten am 20. September 2006 - Bereich: Kultur
Was Disney bei Dürer stahl

Spitzweg, Brueghel und Dalí: Zum 40. Todestag von Walt Disney spürt eine Ausstellung in Paris den Inspirations-quellen nach, aus denen das Comicgenie gerne schöpfte. Ausstelung in Paris zeigt, wo Disney-Figuren ihre Kunst-Vorbilder haben

SABINE GLAUBITZ PARIS (SN, dpa). Woher bezog Walt Disney, der Schöpfer unzähliger weltbekannter Zeichentrick-Charaktere, seine Inspiration? Unter dem Titel "Es war einmal Walt Disney. Zu den Ursprüngen der Kunst der Disney Studios" geht eine Ausstellung im Pariser Grand Palais jetzt dieser Frage nach.

Sie zeigt, dass dem berühmten Comiczeichner von Figuren wie Mickey Mouse oder Bambi große Maler wie Alfred Dürer, Carl Spitzweg oder Pieter Brueghel der Jüngere Vorlagen lieferten.

Die bis zum 15. Jänner geöffnete Ausstellung, die anschließend in Montréal zu sehen sein wird, umfasst mehr als 500 Werke, darunter hunderte Originale aus den Disney-Archiven - eine europäische Premiere. Der US-Trickfilmregisseur und Produzent, der 1901 in Chicago geboren wurde, starb am 15. Dezember vor 40 Jahren.

Die Aha-Effekte in der Schau sind zahlreich: Gustave Moreaus Wasserjungfrau in dem Gemälde "La Libellule" zum Beispiel ähnelt erstaunlich der Disney-Figur Alice. Ebenso frappierend sind die Vergleiche zwischen dem Aschenputtel-Porträt des Malers Sir Edward John Poynter aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem Disney-Aschenputtel sowie die Gegenüberstellung der schönen Königin aus "Schneewittchen" mit dem Porträt der amerikanischen Schauspielerin Joan Crawford und einer aus Naumburg stammenden Kirchenstatue, die die Ehefrau des Markgrafen von Meissen darstellt.

Die Ausstellung ist für das Pariser Grand Palais ungewöhnlich, das seine riesigen Räume eher großen Malern wie William Turner, Henri Rousseau oder zuletzt den Wiener Secessionisten Gustav Klimt und Egon Schiele vorbehält. "Mit dieser Ausstellung wollen wir zeigen, dass Walt Disney ein Künstler war. Zwar verließ Disney früh die Schule, doch hatte er eine untrügerische künstlerische Intuition", sagt Kurator Bruno Girveau.

Disney, der Autodidakt war und in Kansas City als Zeichner in einem Werbestudio arbeitete, gründete als 23-Jähriger sein eigenes Studio. Im Jahr 1923 feierte er mit der Serie "Alice in Cartoonland" seine ersten Erfolge.

Gleich zu Beginn taucht der Besucher in eine verspielte und märchenhafte Welt ein. So gleichen die gläsernen Ausstellungsvitrinen mit dem goldenen Unterbau dem Sarg Dornröschens, die Gemälde und Zeichnungen an den Wänden werden andeutungsweise von Motiven aus den Filmen umrahmt.

In den Ausstellungsräumen, die mit hauchdünnen Gazevorhängen voneinander abgetrennt sind, werden Auszüge aus den wichtigsten Disneyfilmen wie "Fantasia", "Alice im Wunderland", "Schneewittchen und die sieben Zwerge", "Peter Pan" und "Das Dschungelbuch" gezeigt. Diese werden dann Sequenzen aus großen Stummfilmklassikern wie "Faust, eine deutsche Volkssage" von Murnau, "Moderne Zeiten" von Charlie Chaplin oder "Metropolis" von Fritz Lang sowie Gemälden und Büchern gegenübergestellt.

Am Schluss des Besuchs wartet die Ausstellung mit einem besonderen Höhepunkt auf: dem kurzen Film "Destino", einer Zusammenarbeit zwischen Disney und Salvador Dalí. Die unglückliche Liebesgeschichte zwischen einer Ballerina und einem Baseballspieler wurde nie zu Lebzeiten der beiden Künstler gezeigt.