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Die Kunsthalle Krems präsentiert 100 Meisterwerke von Paul Klee aus der Sammlung Carl Djerassi

Über Emigranten und Kunstwerke von intellektueller "Sonderclasse"

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Carl Aigner, Direktor der Kunsthalle Krems, hatte schon eine respektable Klee-Ausstellung nach Recherchen seit 1998 beisammen, als einer seiner Mitarbeiter über einen Fernsehbericht und Nachforschungen im Internet auf einen Sammler stieß, der für Österreich und für Klee von großer Bedeutung ist: Carl Djerassi.

Debattieren Sie mit!Der in Wien geborene Sohn eines Ärzte-Ehepaars musste 1938 über Bulgarien in die USA emigrieren. Drei epochemachende Erfindungen hat der Biochemiker und Chemie-Professor der Stanford University gemacht: mit Gregory Pincus und John Rock entwickelte er die "Anti-Baby-Pille", die zweite Entdeckung betrifft die synthetische Herstellung von Cortison, die dritte ein Pflanzenschutzmittel.
In seiner Autobiografie beschreibt Djerassi die geistigen Wurzeln seiner Gelbkörper-Hormon-Forschung in Wien und Innsbruck während der zwanziger- und dreißiger-Jahre, beides Städte, die durch den Exodus der jüdischen Intelligenz eine beträchtliche Anzahl von Nobelpreisträgern an andere Länder verloren haben. Die Bezeichnung "Anti-Baby-Pille" entspricht nicht den Vorstellungen ihres "Vaters"; er betont seine Widmung für die Selbstbestimmung der Frauen und bedauert die heute minimale Investition der internationalen Forschung zur Weiterentwicklung von Verhütungsmitteln. Als einer der nobelsten Anwärter auf den größten Wissenschaftspreis in Stockholm, vermag sich Djerassi, dank seines kritischen Durchblicks, mit literarischen Werken wie "Castors Dilemma" auch über die Fehler der Wissenschaftler (und damit sich selbst) lustig zu machen. Die spannende Erzählung nimmt nicht nur die Eifersüchteleien im Universitätsbetrieb mitleidslos aufs Korn, sie betrachtet geistigen Vatermord, Eitelkeiten der Professoren und Schwächen des Nobelpreiskomitees mit spürbar autobiografischen Sequenzen des Hochschullehreres an der Stanford University. Mit den Aktien, die jenes Chemielabor Syntex, gegründet von europäischen Emigranten in Mexico-City, damals für seine Mitarbeiter in Sachen Pille angelegt hatte, kauft er heute Bilder und unterstützt seit 1979 Gegenwartskünstlerinnen und -künstler mit einem Programm auf seinem Grundbesitz in Kalifornien. Es könnte sehr viel mehr Geld sein, hätte Djerassi ein Patent für die Pille, und doch ist die Kleesammlung auf 142 Werke angewachsen, von denen etwa zwei Drittel in Krems zu sehen sind. Für das "Djerassi Resident Program" hat der Sammler alle anderen berühmten Meister der klassischen Moderne (Picasso, Giacometti, Degas etc.) verkauft, da diese Initiative auf die, wie er sagt, größte Katastrophe seines Lebens zurückgeht - den Selbstmord seiner Tochter Pamela. Die Künstlerin hatte auf dem einsamen Besitz westlich von Palo Alto gearbeitet und war in eine Depression gestürzt, die sich der Vater vorwirft, nicht bemerkt zu haben, obwohl der Tat ein Gespräch am Vorabend vorausging.
Klee sammelt der Dichter und Biochemieprofessor seit den sechziger Jahren, weil er ihn für den intellektuellsten Maler hält und von diesen Werken trennte er sich auch nach 1978 nicht. Die Ähnlichkeiten in der Auffassung, die bittere Erfahrung der Emigration, die allerdings für den sehr viel älteren Klee nach der positiven Zeit in Düsseldorf schwerer zu verkraften war, und die fast magischen Zufälle im Zusammenhang mit div. Blättern und Djerassis Literatur, machen dies auch persönlich verständlich.
Dass der selbst im Bauhaus als Außenseiter mit wenig Bezug zum Kunstgewerblichen agierende "Meister des kleinen Formats" an sich schon eine Passion für Viele darstellt, stellt kein Hindernis dar. Der leidenschaftliche Sammler kennt alle Händler, Auktionshäuser und knüpft an jedes Blatt eine spannende Ankaufsgeschichte, die zum Teil im Katalogbuch (von Prestl - Kunsthalle Krems in Kooperation mit dem San Francisco MOMA) nachzulesen sind.
Den von seinem Charme allesamt hingerissenen Journalistinnen und Journalisten erklärte er zur Presseeröffnung nicht nur geduldig alle Einzelheiten, seine professionelle Vorstellung macht ihn, wie er auch schriftlich dargelegt hat, zum dauerhaften Kurator des Künstlers, den mit dem kuratierenden Direktor der Kunsthalle nicht nur der gleiche Vorname verbindet. Es kann unumwunden behauptet werden, dass sich eine Art Djerassi-Fieber entwickelte, das bei jener Vorstellung durch Direktor Aigner ihren Ausgang nahm und selbst bei jeder Nacherzählung auf andere übertragbar scheint.
Das Verblüffende an dem Chemiker, Sammler und Dichter ist die typische Wiener Ironie, scharfe Beobachtung, sich selbst und anderen gegenüber, vor allem in Sachen Sprache und Kunstkenntnis. Kleinste Schwächen werden verbal gnadenlos "aufgeblättert", im Gespräch ist man als Frau auch von seiner spürbar ambivalenten Haltung gegenüber dem Feminismus angehalten sehr vorsichtig zu argumentieren. Die langen Jahre mit soziologischen Studien in Sachen Pille, Anfeindungen von den verschiedensten konservativen, antisemistischen und eben auch feministischen Gruppen, haben ihn zum perfekten Strategen im wissenschaftlichen Diskurs gemacht. Ein in mehreren Geisteswissenschaften geschulter Diskussionspartner wie er, kann sein Gegenüber schnell aufs Glatteis führen. Es sei aber betont, dass dabei nie die rächerischen Töne anderer jüdischer Emigranten im Bereich Kultur und Wissenschaft angeschlagen werden.
Etwa 100 Werke in der Kremser Kunsthalle, zum Teil vom Künstler mit "Sonderclasse" versehene Lieblingsblätter, wurden von Carl Aigner mit etwa 20 Ölbildern aus verschiedenen Museen der Welt ergänzt. Sie bilden auch einen sensiblen objektiven Gegenpol zur Intimität der Privatsammlung. Djerassi lernte auch Klees Sohn Felix bei einer Auktion kennen; es gibt also nicht nur die vom Schicksal und Charakter vorgegebene Ähnlichkeit oder gewachsene geistige Verwandtschaft.
Auch aus Gründen der Gesprächsbereitschaft mit allen Beiteiligten in den absoluten Höhen des Kunstmarkts und die Überzeugungskraft seiner charismatischen Persönlichkeit besitzt er die seltenen, fast manieristisch anmutenden frühen Radierungen ("Jungfrau", "Weib und Tier", "Greiser Phönix" etc.). Aber auch das berühmte Selbstbildnis "Versunkenheit" oder das seltsame Aquarell "Barockbildnis", das als Plakat, Katalogcover und Einladung dient, ist sein Eigentum. Der androgyn anmutende "Herr Perücke", wie das "haarige", herzgesichtige, großäugige Geschöpf von Klee genannt wurde, trägt ein kleines griechisches Kreuz an einem Kettchen um den Hals. Bezüge zu Selbstbildnissen und zur Musik von Bach, Händel und Scarlatti sind von Janet Bishop hergestellt worden.
Zum Wiedererkennungseffekt in Sachen Klee gesellen sich selbst für Kenner völlig neue Facetten wie die unbekannte Porträtstudie von Josephine Baker ("Negride Schönheit") oder die antiwagnerianische "Heldenmutter" hinzu, bzw. einige Arbeiten auf schwarzem Papier, die man zum Teil nicht sofort als Klee einstufen würde - so u.a."Schläfriger Arlecchino" und "Mazzaró", auch alles Lieblingsblätter des Sammlers, an die er viele hörenswerte Ereignisse in seinem Leben knüpft. Neben zahlreichen Strichzeichnungen, für die Klee so berühmt ist, und die Kubin schon verehrend imitierte, sind auch Lithos zu Bauhausausstellungen und -festen als neue, persönliche und doch geschichtsträchtige Aspekte zu sehen. Das Aquarell "Der neue Mond", der "Blaumantel" von 1940 und die beinahe postmodern anmutende Ölskizze "Rotes Haus" vollenden aber auch einen nachvollziehbaren Querschnitt durch Lebenszeit, Schaffen und Stilmittel des Schweizer Künstlers.
Djerassi hat erst 1998 die erste Ehrung der Republik Österreich erhalten (und zwar das Große Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft der Republik Österreich); zur Eröffung der Ausstellung in Krems folgte, auf Initiative von Direktor Carl Aigner, das Goldene Ehrenkreuz für Verdienste um das Land Niederösterreich; den zahlreichen Ehrendoktoraten und Auszeichnungen wird sich Anfang September auch die Ehrenmedaille in Gold der Bundeshauptstadt Wien anreihen. Dass man sich nicht früher bemüht hat, einen ganz Großen heimzubitten, hat der "adoptierten Heimatstadt" San Francisco und deren Museum of Modern Art das Erbe der Kleesammlung eingebracht.
In einem Saal des Schweizer Architekten Mario Botta werden ständig einige Blätter präsentiert. Wie schön wäre es, Bilder und Sammler in einem der bekannten Museen Österreichs zu haben, als Profi der Kulturszene wäre er auch kein schlechter Co-Direktor oder Leiter einer Privatsammlung, die eine Lücke in der Ankaufspolitik unseres Landes schließen würde. Zwar hätte ein Direktor wie Werner Hofmann bei anderem Budget sicher auch Klee favorisiert, aber Wien leistete sich selbst in den sechziger Jahren ja nicht einmal ein angemessenes Gehalt für den bekannten Exponenten der Wiener Schule der Kunstgeschichte. So sind tragischerweise viele Verluste zu beklagen, natürlich vor allem jene, die mit der Austreibung des Geistes durch die Nationalsozialisten und zu spät einsetzende Wiedergutmachungen zusammenhängen.
Was Wien aber noch nachholen könnte, wäre eine Einladung des Dramatikers wie Komödienschreibers Djerassi, der sein spannendes Genre als "Science in fiction" bezeichnet, und derzeit auch in England an einer Trilogie arbeitet. Vielleicht eine Möglichkeit für das Akademietheater als Ort von Uraufführungen wie früher etwa von Vaclav Havel; Djerassis eigentlicher Traum ist aber die "Burg".

Erschienen am: 09.08.2002

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