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Totem und Tags

20.05.2008 | 19:12 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

AUKTIONEN. Das Angebot an Design und zeitgenössischer Kunst dominiert die zweite Auktionswoche des Jahres im Dorotheum.

In welche markttechnisch motivierten qualitativen Achterbahnfahrten die neue, am Dienstag elegant eröffnete Schausammlung des Dorotheums sich auch schwingen mag – von der großen Anmutung her ist dem traditionsreichen Haus diesmal eine fast museal wirkende Präsentation gelungen. So behutsam wurden vor allem im Großen Saal die Großformate der Zeitgenossen-Auktion gehängt, so liebevoll die Kleinformate in den Seitengalerien mit einigen Design-Ensembles zu schicken Kojen arrangiert. 400 Werke derart hängen oder stellen, in nur zwei Tagen, ist beachtlich. Am Ende der Auktion zählt allerdings nur eine Ästhetik, die des Ergebnisses.

Zumindest im Vorfeld wurde diesmal aber auch auf eine sinnlichere Ästhetik gesetzt, was nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken ist, dass erstmals die Auktionen Design und Zeitgenössische Kunst in einer Woche veranstaltet werden. So läuft man beim Eingang fast achtlos, so schön fügt sich das Werk in die Architektur, an Günter Förgs fünf mal drei Meter riesigem Fenster-Gemälde aus dem Jahr 2000 vorbei (70.000–80.000 €), das „größte Bild, das wir je hatten“, betont Dorotheum-Geschäftsführer Böhm.

Ist dann der Stiegenaufgang überwunden, grüßen vor dem Großen Saal schon heiter vier bunte Keramik-Totems der im Dezember verstorbenen Postmoderne-Ikone, Memphis-Designer Ettore Sottsas, die ebenso in der Kunst-Auktion angeboten werden könnten, handelt es sich doch mehr um „zweckungebundene“ Skulpturen als um pures Design, 1964 schon erdacht, erst Mitte der 90er Jahre von Bitossi in einer Zehner-Edition produziert. Dorotheum-Expertin Gerti Draxler schätzt die „Familienpackung“ auf 55.000 bis 75.000 €.

Ähnliche Crossover-Fälle stellen etwa ein lackierter Tapezierertisch von Heimo Zobernig, ein Diwan von Franz West – aber auch ein rustikal anmutender Armsessel dar, den Bildhauer Bernhard Hoetger 1927 für Paula Modersohn-Beckers Haus in Bremen gestaltet hat, Teil eines Gesamtkunstwerks und rares Beispiele eines expressionistischen Möbels (10.000–15.000 €)

Wie üblich hat Draxler versucht, im Angebot den Bogen von frühen Wiener Entwürfen wie Wagner, Loos bis ins heutigste Heute zu spannen, was bei Design-Auktionen immer üblicher wird, sogar manchmal bis dahin reicht, dass Auktionshäuser eine ähnliche Rolle wie Galerien übernehmen und direkt die Produktion von Einzelstücken mitfinanzieren.

Darauf hat das Dorotheum sich noch nicht eingelassen, hat aber mit drei „Breeding Tables“ von Clemens Weisshaar und Reed Kram Unikate (9000–13.000 Euro) im Programm, die extra für die Auktion produziert wurden. Das Duo wird im Rahmen der Art Basel Anfang Juni übrigens als „2008 Designers of the Year“ ausgezeichnet. In der bildenden Kunst hat die Methode, Werke direkt aus Ateliers anzubieten, noch einen Hautgout, ist aber inzwischen ebenfalls üblich, vor allem bei den chinesischen Malersuperstars. Von deren Rekorden muss das Dorotheum zwar weiter träumen – immerhin hat man diesmal aber erstmals Bilder chinesischer Maler (Yu Xiaofu, Yuan Xiao Fang) dabei und betreibt seit kurzem auch eine chinesische Website.

Und auch ein weiterer internationaler Trend, dem etwa auch Angelina Jolie und Brad Pitt frönen, ist im Dorotheum nicht zu übersehen: die skurril wirkenden, meist von Berliner Häusern abgetragenen Wandstücke und Kellerfenster mit Banksy-Tags, also gesprayten Motiven. „Street Art“ heißt dieser Auktions-Schwerpunkt. „Zero“ der andere, diesmal akzentuiert mit Werken von Heinz Mack, Günther Uecker, Piero Manzoni, Lucio Fontana.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2008)


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