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02.06.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Maria Callas: Die natürliche Nachtigall
VON ANNE-CATHERINE SIMON
Wien. Eine Ausstellung erinnert an Maria Callas' "Kunst der Selbstinszenierung".

Das letzte Märchen nannte Inge borg Bachmann sie, die natürliche Nachtigall des 20. Jahrhunderts, ja, die einzige Kreatur, die je eine Opernbühne betreten habe. Heute wäre die "Primadonna assoluta" 82 Jahre alt und könnte wie andere greise Diven Anekdoten erzählen, wäre sie nicht 1977 in einem Pariser Luxushotel an Herzschlag gestorben. Ihre letzten Gefährten waren die Zwergpudel Pixie und Djedda und ihr von Ex-Lover Aristoteles Onassis geschenkter Mercedes.

Bachmanns Text über die Callas blieb Fragment - und alle möglichen fast ebenso kostbaren Fragmente sind in den vergangenen Tagen am Wiener Lobkowitzplatz eingelangt: Callas-Opernkostüme aus aller Welt, die nach Ende der Ausstellung ins Dunkle zurückmüssen; auf Fotopapier erstarrte Callas' - schmachtend, sphinxäugig, manchmal sogar lächelnd; Callas in Bewegung (in Franco Zefirellis "Tosca" und Pierre Paolo Pasolinis "Medea"); Callas, gezeichnet von Pasolini, Callas-Kleider, skizziert von Valentino. Und die so unvollkommen konservierte Stimme natürlich, über die Dirigent Tullio Serafin sagte: ,,Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ihre Stimme schön oder hässlich ist. Ich weiß nur, dass sie stets die richtige war, und das ist mehr als schön." Oder Bachmann: "Sie kann einen Ausdruck verfehlen, weil sie überhaupt weiß, was ein Ausdruck ist."

Das meiste stammt aus der Privatsammlung des Italieners Giancarlo Tanzi - ein der Sängerin Verfallener, seit er einmal als Bub widerwillig von seiner Mutter ins Opernhaus geschleppt wurde. "Die Kunst der Selbstinszenierung" nennt sich die aus München ins Österreichische Theatermuseum gewanderte Ausstellung. Diese Selbstinszenierung habe nichts mit Blendwerk zu tun, versucht die Leiterin des Deutschen Theatermuseums, Claudia Balk, die Wirkung von Maria Callas zu erklären: "Sie machte durch Gesang sichtbar. Man sieht Figuren, wenn man sie singen hört." Etwa ihre Leibrolle, die Norma, bei deren Beschreibung Maria Callas auch sich selbst meinte: "Norma erscheint vielleicht stark, manchmal sogar grausam, aber in Wirklichkeit ist sie ein Lamm, das wie ein Löwe brüllt."

Knapp 15 Jahre nur beherrschte sie leibhaftig die Opernbühne, lieferte auf und abseits der Bühne Skandalstoff mit spektakulären Absagen, vorzeitigem Beenden der Vorstellung, "Zickenkriegen" und privaten Desastern - der Trennung von ihrem Mentor und Ehemann Giovanni Battista Meneghini, der Liebesbeziehung zum Reeder und Milliardär Aristoteles Onassis. Nur ganz am Rand berührt die auf Callas als Künstlerin konzentrierte Ausstellung mit alten Zeitungsausschnitten ihr Privatleben. "Morta Maria Callas", sieht man in den Leser erschlagenden Lettern auf einem Titelblatt. Da war ihre Stimme längst dahin, "die Callas" schon Vergangenheit - schon Legende.

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