Salzburger Nachrichten am 27. März 2006 - Bereich: Kultur
Diagonale

"Unser täglich Brot"

Dokumentarfilme liegen im Trend, vor allem jene, die Globalisierungsphänomene thematisieren, die Missstände aufzeigen, ohne aggressiv oder polemisch Stellung zu beziehen. "Unser täglich Brot" des 34-jährigen Wiener Filmemachers Nikolaus Geyrhalter lenkt den Blick auf die europäische Nahrungsmittelindustrie, er zeigt die Orte der Massentierhaltung, computerüberwachte Glashäuser, Riesen-Kornfelder als Versuchsstätten für chemische Spritzmittel.

Bilder ohne Worte

Geyrhalter und sein Cutter Wolfgang Widerhofer vertrauen, wie schon Michael Glawogger in "Workingman‘s Death" auf die Kraft der Bilder. Ästhetisch wohl komponierte Aufnahmen berichten von der industriellen Tötung von Lebewesen und der hochprofessionellen Nutzung, ja Ausbeutung der Pflanzenwelt. Ein an Science-Fiction-Filme erinnerndes technisches Gerät unterstützt den Menschen in seiner Unterwerfung der Natur. Nikolaus Geyrhalter verzichtet auf Interviews, auf Musik, die reale Geräuschkulisse - vom angstvollen Geschrei zusammengepferchter Hühner bis zum metallischen Krachen der Erntemaschinen - ist eindrucksvoll genug.

Ästhetisierungsgefahr

Er zeige ohne erhobenen Zeigefinger einen europäischen Arbeitsalltag, erklärt Geyrhalter. Antworten habe er keine, er sei an einem guten Film interessiert, betont der Regisseur, dem es gelungen ist, in vielen Ländern Europas Zutritt zu Nahrungsmittelfabriken zu erhalten. Der Film über maschinelle Tötungsrituale kann freilich gar nicht "objektiv" sein, der behauptete Verzicht auf Zivilisationskritik wirkt kokett. Auch birgt "Unser täglich Brot" die Gefahr einer Ästhetisierung des alltäglichen Albtraums in sich. Im extremen Weitwinkel scheinen die Grenzen zwischen Tier und Pflanze ebenso zu verschwimmen wie zwischen Moral und Profitmaximierung.

Verdrängtes Tierleid

Die 92 Minuten dauernde Dokumentation rückt vielfach verdrängtes Tierleid in das Zentrum, sie zeigt keine übertriebenen Auswüchse, sondern eben den mittlerweile ganz normalen Wahnsinn. Geyrhalter und Widerhofer klagen die Bediensteten in der auf Effizienz und Kostenerparnis fixierten Lebensmittelproduktion nicht an, im Gegenteil. Sie sind ja bloß Ausführende unserer Bedürfnisse. m.b.