L'expédition scintillante

Der mit den unterschiedlichsten Medien spielende französische bildende Künstler Pierre Huyghe inszeniert im Kunsthaus Bregenz ein eigens entworfenes Musical.


Pierre Huyghe, Pariser des Jahrgang 1962, ist ein äußerst vielfältiger Künstler, der belesen im postmodernen Diskurs, unterschiedlichen Phänomenen auf der Spur ist. Wie einige Kollegen seiner Generation lehnt auch er das künstlerische Produkt als Zentrum des künstlerischen Produktionsprozesses ab. Vielmehr interessiert für die sozialen und kulturellen Beziehungen in die ein Kunstwerk eingebunden ist.

Seine Medien

In seinen vielschichtigen Ausstellungen aus Film, Foto, Text, Ton, Computeranimation, Skulptur und Architektur untersucht er verschiedenen narrative Modelle und geht dabei dem Verhältnis von Fiktion und Realität nach. Einige seiner Arbeiten setzen sich mit gesellschaftlich etablierten Erzählmodellen auseinander und machen sie verfügbar für eine erneute Aneignung.

"Les Grands Ensembles" (Die großen Wohnblöcke), 2001

Das Fenster zum Hof

Dabei erfindet und erprobt er auch alternative Szenarien. So übernimmt Huyghe in "Remake" von 1994 die Filmstruktur von Hitchcocks Filmklassiker "Fenster zum Hof" und lässt die Rollen der Hauptfiguren von Laien nachspielen. Die Wiederverfilmung der Geschichte findet in den Wohnungen der Darsteller statt - ein Kunstgriff, der die Grenze zwischen Faktischem und Fiktivem durchlässig werden lässt.

Die funkelnder Expedition

Pierre Huyghe
Pierre Huyghe

Für das Kunsthaus Bregenz entwickelt Pierre Huyghe - wie schon vor ihm Daniel Buren, Olafur Eliasson und Douglas Gordon - eine vollständig neue Werkfolge. Sie bezieht den Kontext und die architektonisch-technischen Gegebenheiten des Hauses mit ein.. Unter dem Titel "L'expédition scintillante" (etwa: Die funkelnde Expedition) entstehen Rauminszenierungen aus Eis, Wasser, Nebel, Schnee, Plakaten, Musik und farbigem Licht, die auf der Basis des Szenarios einer fiktiven Antarktis-Reise zu einer komplexen Einheit gefügt werden.

Drehbuch der Ausstellung

Die Reise hat Huyghe in Form eines Musicals angelegt, so dass jede Etage des Kunsthauses nicht nur einer Etappe dieser Expedition, sondern gleichzeitig einem Musical-Akt entspricht. Ähnlich einer großen Zeitmaschine oder Musikbox wird das Gebäude so programmiert, dass Licht und Musik, aber auch künstlich erzeugtes Klima einem exakten Drehbuch folgend die Ausstellung rhythmisieren.

Eisschiff

Auf der ersten Etage, dem Beginn der Expedition bzw. des Musicals, lagert ein großes Schiff aus Eis, dessen Schmelzprozess dokumentiert und wenige Tage nach der Eröffnung nur mehr in Form von Bildern erfahrbar sein wird. Aus Öffnungen der Glasdecke fallen Schnee, Regen und Nebel in den Ausstellungsraum und simulieren romantische Wetterszenarien, die auf dem Logbuch der Hauptfigur von Edgar Allan Poes Novelle "Die seltsame Geschichte des Arthur Gordon Pym aus Nantucket" (1838) basieren.

Lichtquelle

Im Zentrum der zweiten Etage befindet sich eine Lichtbox, die an eine Konzertsituation erinnert oder an eine Maschine zur Kontaktaufnahme, ähnlich jener, mit deren Hilfe Außerirdische in Steven Spielbergs "Unheimliche Begegnung der dritten Art" geheimnisvolle Ton- und Lichtsignale senden.

Endpunkt

Auf der dritten Etage ermöglichen eine schwarze Eisfläche und ein Buch - ein Programmheft für ein Musical in drei Akten - eine Rekapitulation der imaginativen Reise. Im verschatteten Ausstellungsraum dient die schwarze Eisfläche als eine Art Negativ, eine Projektionsbühne für ein Musical, zu dem das beiliegende Programmheft die Vorgaben liefert.

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