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Sammlung Essl (Klosterneuburg): "Dreamtime. Zeitgenössische Aboriginal Art"

Großer Kulturschock mit Känguru

Von Claudia Aigner

Debattieren Sie mit!Der Mensch wurde nach dem Bild der Regenbogenschlange geschaffen. Das würde wohl kein Papst so unterschreiben. Und als 1974 der Zyklon Tracy über die australische Stadt Darwin hinwegfegte, war das in Wirklichkeit gar nicht Tracy, sondern Ungkud, also schon wieder die große Regenbogenschlange, die zornig war über jene Aboriginals, die sich nicht mehr um die traditionelle Glaubenslehre gekümmert haben. Aber das würde kein Meteorologe so unterschreiben.
Die Sammlung Essl in Klosterneuburg macht uns noch bis 30. September mit der zeitgenössischen Kunst des fünften Kontinents bekannt, wo die Europäer u. a. Kamele und vor allem sich selbst "eingeschleppt" haben und wo die weißen Kolonialisten anfangs alles darangesetzt haben, um die Ureinwohner zum Aussterben zu "bewegen". Der Titel der einzigartigen Schau: "Dreamtime" (wie der angelsächsische Europäer etwas hilflos die Zeit bezeichnet, in der die Schöpfungsgeschichte der australischen Urreligion spielt). Kurator: Michael Eather.
Bei der ersten Kontaktaufnahme mit den Bildern der Ausstellung hat man fast so etwas wie einen Kulturschock. Und das nicht etwa deshalb, weil einem alles so fremd wäre, sondern im Gegenteil, weil vieles so aussieht wie bei uns. Hat man die Aboriginals in den ursprünglich als "Umerziehungsghettos" gedachten Siedlungen also endgültig zu Weißen mit schwarzer Hautfarbe "umprogrammiert"? Ein wenig enttäuscht zückt man schon die Etiketten "Minimalismus", "Op-Art", "naive Malerei" und einmal sogar "Action painting". Weil man es nicht besser weiß. Und man fühlt sich ein bisschen um die "Eingeborenen-Exotik" betrogen. Schließlich hat man geglaubt, dass die "richtigen" Australier ihre "Leinwände" von den Eukalyptusbäumen schälen und ihre Farben aus dem Boden schürfen. Kurz: "Authentisch" ist nur, was so schaurig schön "primitiv" ist, mit Erdfarben auf Rinde gemalt und voller präziser Muster, Schraffuren und Punkte ist. Solche Arbeiten sind in der Schau natürlich ebenfalls vorhanden. Der Rest ist aber trotzdem nur vermeintlich "totaloperiert" und "totaleuropäisch" und erzählt eigentlich genau dieselben Geschichten wie die Höhlen- und Rindenmalereien oder die vergänglichen Sandmosaike. Dabei von zentraler Bedeutung: die "Dreamings" (Mythen, die innerhalb der Familien und Sippen vererbt werden).
Einer, der sich auskennt, weil er der (weiße) künstlerische Koordinator einer Aboriginal-Kunstgenossenschaft ist, Robin Beesey, hat einmal erzählt, dass man mitunter die fertigen Bilder, wenn man sie beim Abholen gegen das Auto lehnt, vor dem besitzergreifenden Verhalten der Hunde retten müsse, also davor, dass sie ein Bein heben. Damit liegen die Hunde freilich gar nicht einmal so falsch. Das ist in etwa dasselbe, als würde bei uns ein Hund auf einen Stadtplan pinkeln und sozusagen sein Revier "mit der Harnblase auf der Landkarte" durchstreifen. Denn viele "abstrakte" Aboriginal-Gemälde sind konkrete bzw. religiöse Landkarten voller Kodierungen und verzeichnen geheime Wasserlöcher und spirituelle Plätze. Mit einem solchen Stück Malerei haben im Jahre 1963 die Aboriginals aus dem Northern Territory beim australischen Parlament sogar Anspruch auf ihr Land erhoben. Und die Methode "Das ist mein Land, weil ich es zeichnen kann und weil ich weiß, wo alles ist" hatte tatsächlich Erfolg.
Für Unkundige ist Micky Dorrngs von oben bis unten gestreiftes Bild einfach purer Minimalismus, für Eingeweihte sind die Streifen ein heiliges zeremonielles Muster von rituellen Körperbemalungen. Besonders krass prallen angelsächsisch-europäische und ursprüngliche australische Kunst im Bild "Fische in der Dingo-Quelle" von Lin Onus aufeinander. In einer absolut illusionistisch gemalten, nach europäischen Akademiestandards "akademischen" Naturlandschaft schwimmen Fische im "typischen" Aboriginal-Stil. Das "staubtrockene", sandige Gegenstück: Das Bild über jenes Fleckchen Australien, das die Briten in den 50er Jahren durch Atomtests "verbraucht" haben wie eine "Einweglandschaft" und das sie liegen gelassen haben wie ein Zuckerlpapierl, allerdings ein radioaktives Zuckerlpapierl. In Jonathan Kumintjara Browns Porträt dieses Lebensraumes, an den nur der Geigerzähler perfekt angepasst ist, kämpft sich nun ein Aboriginal-Muster, das sozusagen überlebt hat, aus dem Sand heraus.
Als Europäer in der Schilling-Endzeit reißt es einen, wenn man unter einem Bild als Titel liest: "Euro-Geschichte". Und dann ist dargestellt, wie ein Euro verräterische Fußspuren auf dem Boden hinterlässt (und Abdrücke von seinem Schwanz).
Hat man es hier mit einer gewöhnungsbedürftigen, sehr primitiven Währungsreform zu tun, die quer über den Kontinent hoppelt und wo der Zahlungsverkehr und jede Geldtransaktion nur von einem Fährtenleser verfolgt werden kann, anstatt von einem zivilisierten Kontoauszug? Das kann doch nicht sein. Ist ja auch nicht so. Mit "Euro" ist hier schlicht ein Känguru gemeint.
Jetzt kann es freilich passieren, wenn man durch die Ausstellung durch ist, dass einem das eine oder andere originaleuropäische abstrakte Bild, das bei uns in den Museen hängt, plötzlich um vieles leerer vorkommt als vorher.

Erschienen am: 24.08.2001

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