Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Galerien

Das runde Quadrat

Aufzählung (cai) Ein mal eins ist eins. Mehr muss man eh nicht wissen, um zu überreißen, was denn die Pointe ist. Von diesem minimalistischen Witz mit dem Titel "One Square Meter".

(Nein, Minimalismus ist kein Synonym fürs Kleine Einmaleins. Zum Multiplizieren sagt man ja nicht "Malismus".) Der Quadratmeter, den Ivan Moudov hergestellt hat, ist jedenfalls kein Viereck mit einer Seitenlänge von einem Meter (ein Meter mal ein Meter gleich ein Quadratmeter), er ist ein Kreis . (Durchmesser: 112,8665 cm.) Der Humor des Bulgaren ist also anscheinend eine Scheibe. Oder eine Kugel? Über die postkommunistische Discokugel kann man sich zumindest köstlich amüsieren. (Ähm, ein Knödel aus Alufolie? I wo.) Oder soll man erschüttert sein, weil das womöglich eine Allegorie der Armut auf dem Balkan ist?

Bloß ein einziges Spiegelplättchen ist auf dem rotierenden Ball drauf und ein Spot wartet geduldig, bis es wieder einmal vorbeikommt. Die einsame Reflexion,die immer kurz über die Wand huscht, schmachtet man dann an wie den Mond, von dem es ja auch nur einen gibt. Die Realität bewältigt Moudov offenbar durch leicht irritierende Aktionen, die so unaufdringlich wie unverfroren (und originell) sind. Dabei dilettiert er enthusiastisch in diversen Berufen. Als Fernsehkoch macht er "Turkish Sushi" (schneidet von fertigen reisgefüllten Weinblättern einfach die Enden ab und präsentiert das Mittelstück als Maki), als Jäger erlegt er einen Teddy und weidet ihn aus (tja, die kuscheligen Zeiten sind vorbei), und als Müllmann karrt er volle deutsche Müllsäcke über die polnische Grenze und stopft sie den Polen in die Mülltonnen. Die Tonne, die beim Hilger rumsteht (Aufschrift: "Dieser Müll wird in Polen entsorgt"), ist garantiert ein Test. Wer da seinen Mist reinwirft, outet sich als einer, der die andern jene Suppe auslöffeln lässt, auf der er selber dahergeschwommen ist. Nein, in die er gespuckt hat. (Hä? Wie bitte?)

Hilger Contemporary

(Dorotheergasse 5), Ivan Moudov, bis 14. Mai

Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr

Das Lächeln der Pappel

Aufzählung (cai) Bücher macht man bekanntlich aus Bäumen. Herbert Golser erspart sich freilich den Umweg, das Holz vorher zu Papier zu verarbeiten, er sägt die Bücher gleich direkt aus dem Stamm heraus. Blatt für Blatt. Schneidet die Pappeln oder Birnbäume so fein auf wie Schinken. (Na ja, vielleicht nicht ganz so dünn.) Die Buchseiten wellen sich wie bei Romanen, die in die Badewanne gefallen sind. Und daneben stapeln sich appetitliche "Palatschinken" aus Holz. Golser tranchiert das Holz dermaßen virtuos, dass einem die Spucke wegbleibt. Aber wer würde schon erstklassige Kunst anspucken wollen? Und dauernd hat man das Gefühl: Oh,da hat sich was bewegt! Allerdings viel subtiler als das Holz unterm Hintern vom Zappelphilipp, von diesem Sesselschaukler. Ach, wenn man nur lange genug wartet, werden Luftfeuchtigkeit und Temperaturschwankungen es bestimmt irgendwie schaffen, eine hölzerne Buchseite umzublättern . Okay, das wohl doch nicht. (Übrigens: Die Theorie, dass die Mona Lisa bloß lächelt, weil das Pappelholzbrettl, auf das sie gemalt ist, sich leicht verzogen hätte, ist vermutlich falsch.)

Galerie Frey

(Gluckgasse 3), Herbert Golser, bis 10. Juli

Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 10 – 16 Uhr

Das innere Mammut

Aufzählung (cai)Sehr menschlich sind Herbert Albrechts Figuren nicht. Eher architektierisch. Tschuldigung: -tonisch . (Obwohl: Der Mensch gehört ja ebenfalls zu den Tieren.) Die Anatomie wird hier zum strengen "Bauwerk". Und die sinnlich glatten Bronzen in der Galerie Chobot (aus den letzten 25 Jahren) zeugen von einem konsequent analytischen Œuvre. Wie handlich mancheauch sein mögen, im Innern sind sie alle Mammuts.

Galerie Chobot

(Domgasse 6), Herbert Albrecht, bis 4. Juni

Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr

Galerien

 

Printausgabe vom Mittwoch, 11. Mai 2011
Online seit: Dienstag, 10. Mai 2011 17:07:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*
H-DMZN07 Bitte geben sie den Sicherheitscode aus dem grünen Feld hier ein. Der Code besteht aus 6 Zeichen.




* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Feedback-Regeln.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at