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Roy Lichtenstein, ver„baldert“
Von Blicken dahinter bis zum Schauen nach vorn
Schwer hat er's schon, der Schneck. Schleppt sein Haus durch Tag und Nacht. Das Tempo ebenso reduziert wie die Beweglichkeit. Von Sprungkraft keine Spur. Zu viel Bodenhaftung halt. Kein Wunder, dass er vom Fliegen träumt.

Für den Zeichner Gerhard Balder ist der Schneck wohl auch ein Symbol für die Trägheit des Menschen. Reduziert auf sein Häuschen, bewegt er sich durch die sowohl satirischen als auch wehmütigen Szenen, die derzeit in der Galerie der Zülow-Gruppe im Ursulinenhof Linz ausgestellt sind. Wobei Balder das Paradoxon zusätzlich erweitert: Schließlich weist das fein gestreifte Häuschen eindeutige Merkmale eines "Nautilus" auf. Und der ist schließlich ein Wassertier.

Die Bilder regen sowohl zum Schmunzeln als auch zum Hinterfragen der trotz aller Hirnleistung körperlich doch eingeschränkten Fähigkeiten des homo sapiens an. "Versuch" heißt etwa ein ausgesprochen doppelbödiges Bild, bei dem das Schneckenhäusl gar fünf Millimeter dem elegant gleitenden Papierflieger entgegen "springt".

Kurios sind auch die "Krieger": mit Speeren bewaffnete Schneckenhäusln, noch intakt, doch bald zertrümmert. Gerhard Balder beweist sich bei dieser Ausstellung von Grafiken und großformatigen Gemälden als virtuoser Zeichner ebenso wie als sattelfester Maler, der das Hintergründige erkundet.

Satire auf Zeitgenossen

Im Surrealen ist er ebenso zu Hause wie in der Karikatur, die sich nicht nur auf die kleinformatige Zeichnung bezieht. Balder hat nämlich - aus welchen Gründen auch immer - stets ein wachsames Auge auf zeitgenössische Künstlerkollegen geworfen. Zieht in seinen künstlerischen Kommentaren dazu vorzugsweise Konzeptkünstler durch den Kakao.

Virtuos und sattelfest

Balder bedient sich dazu der ureigensten Bildsprache der dermaßen Ironisierten und versieht sie mit sarkastischen Zitaten. So wird etwa das Pop-Art-Werk über Roy Lichtenstein zur präzisen Persiflage auf Kurzsichtigkeit. Nun: So mancher mag ja darauf verweisen, dass solcherleih Schmähung oft auf Frust beruht. Weil der Schmähende dem anderen den Erfolg neidet.

Wie auch immer: Gerhard Balder macht es zumindest mit sicherem Strich. Und der ist bei manchen der von ihm aufs Korn Genommenen tatsächlich nicht immer so stabil.

Info: bis 27. 9.; Mo-Do 15-18.30 Uhr; 0732 / 79 41 20.

Information

Berufsvereinigung: Tapisserien und Collagen zeigt Rosemarie Schütze-Haider noch bis 26. September in der Berufsvereinigung der Bildenden Künstler im Ursulinenhof: Neben handwerklich und formal guter Weberei auch esoterisch Überladenes, das den guten Eindruck des frontalen "Dreiecks" flugs infrage stellt. (gunn)

Kunstverein: "Please change your place", also eine Bitte nach Standortwechsel, formulieren fünf Kunstschaffende im Kunstverein (U-Hof Linz). Örtliche und geistige Flexibilität beweisen hier bis 17. 10. vor allem: Thomas Steiner als exzellenter zeichnerischer Seismograph und Keramikerin Charlotte Wiesmann im radikalen Genrewechsel beim Fotospiel mit gestreifter Hängematte. (gunn)

OÖnachrichten vom 21.09.2007
 
   



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