Salzburger Nachrichten am 14. April 2006 - Bereich: Kultur
Faszinierende Stille Der Fotokünstler Franz
Sattler beschäftigt sich seit mehr als einem Jahrzehnt mit den Themen
Vergänglichkeit und Tod. Über pointierten Humor will er enttabuisieren.
Martin Behr WEIZ (SN). Jesus Christus als Hohlform, als Massenware: Dutzende
Kruzifixe, die üblicherweise auf Särgen montiert werden, sind ein
typisches Motiv für den steirischen Fotokünstler Franz Sattler. Der
54-Jährige, in Naas bei Weiz in der Oststeiermark lebende Fotograf widmet
sich seit mehr als einem Jahrzehnt den Themen Tod und Vergänglichkeit.
"Das sind Dinge, die nicht unbedingt immer angenehm sind, aber die
Beschäftigung mit dem Danach ermöglicht ein bewussteres Leben in der
Gegenwart", erklärt Sattler. In der kürzlich zu Ende gegangenen Ausstellung "Kunst zu Tod und
Sterben" hat der Steirer seine subjektiven Friedhof-Impressionen im Grazer
Kulturzentrum bei den Minoriten ausgestellt. Bilder aus der Serie "Memento
mori" beispielsweise, ein Auferstehungstriptychon oder poetische
Begegnungen mit der Vanitas-Thematik, die den Titel "Ungarische Rhapsodie"
tragen. Auf seinen Reisen besucht er stets Friedhöfe, Orte, die ihn nicht
nur wegen der dort herrschenden Stille faszinieren. "Ich bin auf der Suche nach skurrilen Bildwelten, nach Motiven, die dem
Bild die Schwere, die Tristesse nehmen", erklärt Franz Sattler im
SN-Gespräch: Feiner, pointierter Humor, um das vielfach Verdrängte
überhaupt ertragen zu können. Kürzlich hat der Fotograf in der Grazer
Feuerhalle gearbeitet, die dort entstandene Bildserie zeigt Facetten eines
Arbeitsalltages, in dem Abschied und Tod im Zentrum stehen. Er wolle mit seinen Fotos aber nicht schockieren, nicht auf
vordergründige Weise Tabus brechen, sagt der Steirer. Zurückhaltung,
Distanz und Sensibilität sprechen aus vielen Arbeiten, trauernde
Friedhofsbesucher wird man ebenso vergeblich suchen wie Grabsteine mit
Namen von Verstorbenen. In der Kunst sieht der Fotograf, der sich als gläubig, aber nicht als
religiösen Künstler bezeichnen will, ein Lebenselixier, eine Möglichkeit,
sich intensiv mit dem Dasein zu beschäftigen. Als Motto gibt er ein Zitat
von Pablo Picasso an: "Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele."
Mehr als 3000 Fotos hat er bisher an Stätten des Todes gemacht, was ihm
noch fehlt, sind Arbeiten auf dem Wiener Zentralfriedhof sowie im Wiener
Bestattungsmuseum. Danach denkt er daran, die Serie abzuschließen und sich
auf neue, andere Themen zu konzentrieren."Der Karfreitag ist wie ein
Spiegel" Was ihn bislang am meisten bei seinen fotografischen Erkundungen
fasziniert hat? "Die Ruhe, die etwa auf jüdischen Friedhöfen herrscht,
beziehungsweise der Umstand, dass sich die Natur dort alles zurückholt."
Sattler bezeichnet sich als "Schwarz-Weiß-Freak", seit einigen Jahren
arbeitet er digital. Der heutige Karfreitag ist für den Steirer ein
besonderer Tag: "Er ist wie ein Spiegel, in dem uns gezeigt wird, dass
sich im Wesentlichen nicht viel seit der Kreuzigung geändert hat: Immer
noch müssen Menschen unnötig sterben." Seine Beziehung zu Gott? "Ich sehe
den Burschen mittlerweile als Freund." |