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20.10.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung | ![]() |
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Die Schwermut wohnt im Bild | ![]() |
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VON JENS E. SENNEWALD | ![]() |
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GRand Palais in Paris. Von der Antike bis heute: 200 Werke zu "Melancholie: Genie und Wahnsinn im Abendland". | ![]() |
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M Die Bildgeschichte der Trauer des abendländischen Geistes
reicht zurück bis zu Hippokrates im 5. Jahrhundert v. Chr. Oft
hat die Melancholie ihr Gesicht und ihre Vorzeichen verändert. Als
Saturnismus wurde sie dem Gott verknüpft, der seine Kinder fraß. Als
Mondkrankheit ist sie eine Quelle der Werwolf-Legenden. Das Mittelalter
nannte sie "acedia" - eine der Todsünden. Sie wurde der schwarzen Galle
zugeschrieben, mit dem Herbst assoziiert, als Psychose, Neu-rasthenie,
Neurose bezeichnet. Mit der Aufklärung rückte die Melancholie zur edlen
Seelenkrankheit auf, wurde in Klassik und Romantik zur exaltierten
Künstlergeste ausgebaut und sank im 19. Jahrhundert zur banalen
psychischen Krankheit herab. Heute wird sie mit der Depression identifiziert. Doch diese Abspaltung der Krankheit von ihrer Bild- und Kunstgeschichte hinderte Künstler und Philosophen nicht, weiter am Mythos der Melancholie zu arbeiten. Für die einen Krankheit, wurde sie für die anderen Lebensstil, "Spleen" des Flaneurs. Jean Starobinski, dessen Studie zur Melancholie-Behandlung von 1960 zu den Standardwerken zählt, sieht in ihr eine Distanznahme des Bewusstseins zur "Entzauberung" der Welt. Zugleich verzaubert sie. Ihre Bildgeschichte lässt sie auch als Krankheit der
Kunst erscheinen. Denn, das zeigt eine Reihe wunderbarer Selbstporträts
von Goya über Caspar David Friedrich bis hin zum jungen Picasso, wie die
Melancholie Sujet der Kunst, so waren die Künstler Subjekt der
Melancholie. Die Schwermut wohnt im Bild. Es ist eine der großen Leistungen dieser Ausstellung, die
Werke, die die Melancholie nicht nur dargestellt, sondern auch
mitgestaltet haben, in einem historiografischen Rahmen zu sammeln. Der
Besucher kann Meisterwerke wie Friedrichs Blick auf Arcona bei Mondaufgang
(1805/06), seinen Mönch am Meer (1808) und Arnold Böcklins Toteninsel
(1883) nebeneinander sehen. Sonst müsste er dafür zwischen der Albertina
und der Berliner Nationalgalerie pendeln. Er kann Formähnlichkeiten
zwischen dem Totenschädel, auf den George de la Tours "Madeleine à la
veilleuse" von 1640 die Hand legt, und Picassos Bronze-Totenkopf von 1943
erkennen. Er kann mittelalterliche Darstellungen der Versuchung des
heiligen Antonius von Lucas Cranach, Martin Schongauer oder Hieronymus
Bosch mit Max Ernsts Gemälde "Triumph des Surrealismus" von 1937
vergleichen. Oder über die Präsenz moderner Tragik in Ron Muecks
hyperrealistischem "Großen Mann" von 2000 und Anselm Kiefers
Bleiflieger-"Melancholia" von 1989 staunen. Die Ausstellung macht ikonografisch den "Pendelgang
zwischen mythischer und wissenschaftlicher Auffassung" erkennbar, wie der
Kunsthistoriker Aby Warburg es nannte. Für Hauptkurator Jean Clair ist sie
vor allem ein "großes Panorama der Darstellungen der Melancholie im
Abendland". Im Hang zum Prateresken, zum Cancan im Trauerkleid, liegt ihre
Schwäche. Hübsch hat man im "Kleinen Museum der Melancholie" Passendes
arrangiert: Giacomettis Plastik, eine ausgestopfte Fledermaus, Giorgio de
Chiricos "Mélancholie hermétique", die Wachs-Miniatur eines Verwesenden.
Kulturwissenschaftlich ist die Schau eine Bilanz, fügt
den Erkenntnissen des "Saturn und Melancholie" von Saxl, Panofsky und
Klibansky (1964) und der "Rhetorik der Leidenschaft" von Barta und
Geissmar-Brandi, vor einigen Jahren von Wien aus konzipiert, keine
wirklich neue These hinzu. Sehenswert ist sie. Und sei es nur für Dürers
Stich. |
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