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27.01.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kritik Ausstellung: Der demokratische Blick
VON JOHANNA HOFLEITNER
Mit William Egglestons "Los Alamos"-Block zeigt die Albertina eine wichtige, erst kürzlich entdeckte Serie des US-Fotografen.

A
merika 1966. So ungefähr könnte es gewesen sein: Ein paar Freunde - darunter Walter, der Kurator, Den nis, der Schauspieler, Regisseur, Künstler, und William, 27-jähriger Fotograf - brechen auf zu einer Reise durch die Südstaaten. Vor allem suchen sie eines: Freiheit. Dafür cruisen sie in ihrer Limousine stundenlang, tagelang, wochenlang über die Highways durch Wüsten und Pinienwälder. Das Land übt in seiner südländischen Charakteristik eine besondere Faszination auf den Fotografen aus. In den Folgejahren wird sich William noch etliche Male auf diese Reise begeben. Er will die Gegend in all ihren Geheimnissen ergründen. Zumal ihn besonders ein Geheimnis, das Atomforschungslabor Los Alamos, 2500 Meter hoch, abseits der Zivilisation in der Sierra Nevada gelegen, beschäftigt. "Weißt du, so ein Geheimlabor hätte ich gerne selbst", soll er zu Walter Hopps, dem Kurator, gesagt haben.

Zwischen 1966 und 1974 entstehen auf diesen Reisen nicht weniger als 2200 Aufnahmen. Eine davon ist eine Schlüsselszene der neuen Fotografie: Ein Verkäufer schiebt vor einem Supermarkt Einkaufswagen zusammen. Es ist William Egglestons erster Versuch in Farbe. Nach Jahren der Schwarzweißfotografie, in denen er sich an Henri Cartier-Bresson, dem Meister des Augenblicks, und Walker Evans, dem Chronisten der amerikanischen Geschichte, geschult hatte, wagt er sich nun auf neues Terrain.

Und er ist bereit, Risiken einzugehen. Umso mehr, als unter seinen Kollegen der Einsatz der Farbe als Instrument der Werbung total verpönt ist. "Farbfotografie ist ordinär" - das Diktum Walker Evans' - schiebt Eggleston beiseite. Das Licht und die Farben des Südens schreien geradezu nach einer Umsetzung in Farbe.

Eggleston suchte seine Motive im Banalen und Alltäglichen. Imbissbuden, Parkplätze, Kühlerhauben, Schaufenster, Drive-in-Kinos - das sind seine bevorzugten Schauplätze. "Demokratisches Sehen" nannte er das. An der Prostituierten im braunen Kleid beispielsweise interessierte ihn am meisten die Hand mit ihrem Lineament aus Tattoo, Ring, Uhr. Am Flughafen die rot-gelbe Schrifttafel vor dem Tiefblau des Himmels. Und am Himmel selbst die hohe Wolke, wie sie sich bedrohlich über dem flachen Horizont aufbaut. Immer schwingt der Gedanke mit, dass er derlei Kontraste in der Nachbearbeitung - die Bilder wurden im mehrschichtigen Farbumkehrverfahren entwickelt - deutlicher herausarbeiten, sogar noch steigern konnte.

William Eggleston, der seinen Durchbruch 1976 mit einer großen Ausstellung im New Yorker MoMa feierte (und bei der letzten documenta gehörig enttäuschte), hat dieses Material erst vor wenigen Jahren ausgewertet. Er, der die Geschichte der Farbfotografie selbst wesentlich mitgeschrieben hatte, fügte ihr mit dem Zyklus "Los Alamos" ein wichtiges Kapitel hinzu. Jetzt befindet sich der 86-teilige Block im Besitz des Kölner "Museum Ludwig". Die Albertina hat sich für eine leicht ordnende Hängung entschieden. Da gibt es assoziative Gruppen wie die Schrift-Bilder, die Autos, die Männer, die Sitzenden, die Streifen-Bilder. Die Sortierung ist des Guten fast zu viel, sind doch gerade diese Fotografien Egglestons durchaus in der Lage, ihre Kraft aus sich selbst heraus zu entfalten.

Bis 24. April, tägl. 10-18 h, Mi. bis 21 h.

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