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12.12.2003 - Kultur&Medien / Ausstellung
Kunstforum: Der Pop-Jazz-Klassiker
Die aktuelle Roy Lichtenstein-Schau im Kunstforum ist nicht nur die Personale eines Pop-Artisten, ­sondern auch eine Hommage an den Jazzer. Das erstklassige Rahmenprogramm zur Schau lässt den vor sechs Jahren verstorbenen Künstler nachgerade auferstehen – in allen Facetten.

Gemeinhin wird er als Pop-Ikone gefeiert, und als Klassiker. Er ist aber auch Jazzer. Daher müsste man Roy Lichtenstein korrekterweise eigentlich als Pop-Jazz-Klassiker handeln. Denn der New Yorker drückte nicht nur der Pop-Art unverkennbar seinen Stempel auf, weswegen er zu Recht als Klassiker gilt. Sein musikalisches Herz schlug allerdings, wie man glauben möchte, kaum für Rock und Pop, sondern in erster Linie für den Jazz.

Diese Liebe soll, so will es jedenfalls die Legende, den Ausschlag gegeben haben, dass der 15-Jährige im Jahr 1938 zu malen begann. Zwar hatte er sich zuvor schon mit Aquarellmalerei und Comics beschäftigt. Gefunkt hat es dann aber angeblich erst bei Jazzkonzerten in den New Yorker Clubs sowie dem legendären „Apollo-Theater“, als er die Jazz-Musiker bei ihrer Arbeit porträtierte. Gesichert ist jedenfalls Lichtensteins Bewunderung für Charlie Parker, John Coltrane, Dexter Gordon, Stan Gets, Lester Young, Ornet Coleman, Cannonball Adderly: Sie alle verband ihr Instrument miteinander, das Saxofon – und davon war der Maler fasziniert.

Und zwar in solchem Ausmaß, dass er im rüs­tigen Alter von 70 Jahren beschloss, das Altsax zu erlernen. Als Lehrer nahm er sich Hayes Greenfield, einen in den USA vielfach ausgezeichneten Jazz-Pädagogen, Musiker und Komponisten. Dieser war von der Begabung seines Schülers so begeistert, dass er ihn sogar ermunterte, sich doch eine mehrmonatige Auszeit von der Malerei zu nehmen und ganz dem Studium des Instruments hinzugeben. Damit kam er zwar bei Lichtenstein nicht durch, doch es entstand zwischen den beiden Künstlern ein enger freundschaftlicher und musikalischer Austausch – in den fünf Jahren, die Lichtenstein noch lebte.

Jazz für Kinder. Als Hommage an diese Begegnung produzierte Hayes Greenfield „Jazz-a-ma-Tazz“: eine CD zu einem Kinder-Projekt, das die beiden vor Lichtensteins Tod gemeinsam entwickelt hatten. Eben dieses in seiner „Interaktivität“ faszinierende Programm, das die Kinder zum Tanzen, Singen, Springen, Klatschen und sogar zum Performen einlädt, präsentiert Greenfield nun auch in Wien. Am kommenden Sonntag steht es im Mittelpunkt eines amerikanischen „Jazz-Brunch für die ganze Familie“. Brandneu zur Ausstellung schuf Greenfield zusammen mit seinem Quartett außerdem die CD „The Music of Roy Lichtenstein“: Neben einer Auswahl aus Lieblings-Tunes Roy Lichtensteins enthält sie als Bonus-Tracks auch drei Stücke, auf denen er selbst als Saxofonist zu hören ist.

Spannend und originell ist auch das Rahmenprogramm. Da gibt es einmal eine Fülle von Lichtenstein-spezifischen Events und Konzerten, sogar klassische Musik fügt sich ins Konzept, und eine Kunstreise findet auch statt.
Für Kinder erschließt das Angebot des Vermittlungsteams, je nach Altersgruppe, spielerisch bis kreativ den Zugang zur Kunst von Roy Lichtenstein. Das gibt sowohl für die Sonntagnachmittage als auch für lange Winterabende, Weihnachten natürlich oder die Semesterferien viel her.

Noch mehr Klassiker. Zwei weitere Klassiker zeigt das Kunstforum 2004 anschließend an die Lichtenstein-Schau. Eine Wassily Kandinsky-Ausstellung zeichnet dessen „Weg in die Abstraktion“ nach, also seine Entwick-lung von den konventionellen Anfängen über die Münchner Jahre und die Begegnung mit dem „Blauen Reiter“, die Rückkehr nach Russland 1914 bis 1921, dem Jahr der Rück-kehr nach Deutschland als Lehrer ans Weimarer Bauhaus. Besonderes Merkmal der Ausstellung, die ungefähr 70 Gemälde, Papierarbeiten und Hinterglasbilder umfassen wird, ist die Herkunft der Bilder: Den Kern bilden Kandinskys Hauptwerke, die, zum Teil überhaupt erstmalig, aus großen russischen Sammlungen entliehen werden können. Dazu kommen Schlüsselwerke u. a. aus dem Guggenheim-Museum, dem Philadelphia ­Museum of Art, dem Amsterdamer Stedelijk Museum.

Mit Spannung darf man schließlich der Herbst­ausstellung entgegenblicken: sie ist Tamara de Lempicka, Vertreterin des Art déco und der Neuen Sachlichkeit gewidmet. Zumal in Zusammenhang mit dem aktuellen Interesse an figurativer und realistischer Malerei gilt es, ihr Werk neu zu bewerten und wieder zu entdecken.

 

 

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