Sitzplätze für Schwarzfahrer | |
Kunst und Diskurs im Kunstraum Goethestraße.
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"Dieser Sitz ist reserviert für
Kinderschänder", steht auf einem Aufkleber in einer Straßenbahn. Zwei
Mädchen, cirka zwölf und 13 Jahre alt, werden beobachtet, wie sie den
Kleber heimlich entfernen. Die Reaktion der Mädchen wird interpretiert,
das Ergebnis auf Plakate gedruckt: "Anscheinend wollen sie die Gefahr für
sich bannen". Die gewohnten Hinweisschilder, alten, gebrechlichen und schwangeren
Personen die Sitzplätze zu überlassen, haben in den Straßenbahnen der
Linie 1 in Linz Konkurrenz
bekommen. Die Aufkleber mit einem großen, färbigen Kreis am linken Rand,
sind den offiziellen Hinweisschildern täuschend ähnlich. Ehebrecher, Vorbestrafte, Alkolenker Neben der Aufforderung, die Sitze Kinderschändern zu überlassen, sollen
diese auch für Ehebrecher, Vorbestrafte, Schwarzfahrer, Alkolenker und
Taschendiebe frei bleiben. Die Reaktionen der Fahrgäste wurden beobachtet,
statistisch ausgewertet, interpretiert und auf Plakate gedruckt. Zu sehen
sind die Ergebnisse der Intervention "Punktuell" bis Mitte März im
Kunstraum Goethestraße in Linz.
"Punktuell" ist eine von vier Arbeiten unter der Leitung von Harald
Schmutzhard. In seinen Projekten versucht der Mitbegründer der Linzer
Künstlergruppe "Sozial Impact", Menschen für die Kunst im öffentlichen
Raum zu sensibilisieren. In den Arbeiten wird die Auseinandersetzung mit
gesellschaftliche Tabuthemen, Kunstvermittlung durch Fotografie, der
Umgang mit Zeit und Kunst an unerwarteten Orten thematisiert. Unterstützt
wird Schmutzhard von Studierenden der Linzer Kunstuniversität. Mit dem Gutschein in die Galerie Den Trick kennt man von Fotografen aus Jesolo. Wahllos fotografieren
sie Touristen und geben ihnen dann ihre Visitenkarte. Am nächsten Tag kann
man die Bilder im Atelier des Fotografen kaufen. Im Projekt "Kontakkt" ging man ähnlich vor. Menschen in Warteschlangen
wurden fotografiert. Zur Zeit sind die Wände des Kunstraumes Goethestraße
mit Fotos von Wartenden vor dem Bus, an Supermarktkassen oder am
Stadioneingang tapeziert. Mit einem Gutschein, den jeder der
Fotografierten bekommen hat, kann man sich sein Bild abholen. Durch die
Fotoaktion soll eine Brücke geschlagen werden zwischen den
Kunstschaffenden und der an der Gegenwartskunst nur durchschnittlich
interessierten Bevölkerung. Zum Ausruhen vors Einkaufszentrum Wie beim Après-Ski für Sonnenhungrige wurden Liegestühle im Projekt
"Ruhezone" nebeneinander aufgestellt. Die blauen Liegen mit der weißen
Aufschrift "Ruhezone" samt dazu passender Augenbinde wurden am Bahnhof auf
der Nibelungenbrücke und vor einem Einkaufszentrum in der Innenstadt
platziert. Wer wollte, konnte sich, beobachtet von Tausenden Passanten, im
öffentlichen Raum entspannen.
In "Ruhezonen" ging es den Künstlern um die Reflexion des
Alltagsstresses und der Relativierung des Zeitbegriffes. Die Liegen stehen
derzeit in der Auslage des Kunstraumes und sollen hektischen Passanten
eine Oase der Ruhe gönnen. Aphorismen am Klo Am Handtuchhalter der Toilette klebt ein Zettel mit dem Aphorismus:
"Kunst darf auch schön sein". An Orten in Häusern der Kunst, an denen
keine Kunst erwartet wird, sollen Besucher mit Kunst konfrontiert werden.
Türen, Gänge und Stiegen des Ars
Electronica Centers und des Zentrums für Gegenwartskunst werden zu einer Erweiterung
des Ausstellungsraumes. Eine Ausstellung in der Ausstellung ist das
Projekt "Kunstbetrachtungen" vom Vermittlungsclub "Substrat".
Zusammenarbeit mit Kunstuniversität Bei den Projekten "Punktuell", "Kontakkt", "Ruhezone" und
"Kunstbetrachtung" arbeitet der Kunstraum Goethestraße eng mit
Studierenden der Linzer Kunstuniversität zusammen. Bisher waren die
Arbeiten der Studierenden nur im Gebäude der Universität zu sehen. Mit
weiteren Ausstellungen im Kunstraum soll jungen Künstlerinnen und
Künstlern die Gelegenheit gegeben werden, sich einem breiteren Publikum zu
präsentieren. Kunst und Diskurs Neben dem Jahresschwerpunkt Kunstuniversität, versucht man in der
Diskussionsreihe "Lectures" hinter die Kulissen zu blicken. Die
Kunstvermittlerin Elvi Sonnberger stellt Bezüge zwischen den gezeigten
Arbeiten, der Person des Künstlers, seinen gesellschaftlichen und
politischen Realitäten her. Durch ein breiteres Informationsspektrum
sollen die Arbeiten in einem erweiterten Kontext gesehen werden. Andere
Betrachtungen der Arbeiten sind das gewünschte Resultat. Neben den "Lectures" unterbricht eine sechsteilige Diskursreihe die
jeweils aktuellen Ausstellungen. Im Laufe des heurigen Jahres sollen die
Themenbereiche Medien, Kunstindustrie und Ökonomie, Arbeit und Gender,
MigrantInnen und Widerstand diskutiert und analysiert werden.
Diskussionsteilnehmer sind unter anderem: Marlene Streeruwitz, Boris
Buden, Mark Terkessidis und Hatice Ayten. Kunst im psychosozialen Kontext Die Idee des 1998 von Maren Richter und Gerda Ridler gegründeten
Kunstraumes ist es, zeitgenössische und experimentelle Kunst zu
produzieren und zu präsentieren. Eingebettet in die Abteilung Kunst-Kultur
des Trägervereines Pro
Mente, ein Verein der sich um Menschen in psychischen
Krisensituationen kümmert, bietet der Kunstraum auch psychisch
Hilfsbedürftigen eine Plattform. Zumindest einmal im Jahr stellen Personen
aus, die im Rahmen von "Pro Mente" künstlerisch tätig sind. Deshalb sieht sich der Kunstraum auch als Mittler zwischen Kunst und
Gesellschaft. Ein Bindeglied, das heuer verstärkt von Kunststudenten
genutzt wird. Link: Kunstraum Goethestraße | ||||||||