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25.04.2003 19:18

Gelangweilte Herrin der Peitsche im Pelz
Irene Andessner gibt Wanda Sacher-Masoch - "Wanda SM" - Rollenspiele in der Endlosschleife



Graz - War die Ehe von Angelica und Leopold eine glückliche? Das konnten sie wohl nur selbst beurteilen. Der "Ehevertrag", den die beiden im 19. Jahrhundert mit einander abschlossen, ist jedenfalls auch für heutige Verhältnisse unkonventionell: Der Schriftsteller Leopold Sacher-Masoch verpflichtete sich, Sklave seiner Frau Angelica Aurora Rümelin zu sein, die für ihren Gatten Namen und Rolle seiner Romanfigur Wanda von Dunajew aus Venus im Pelz annahm. Zu den verbrieften Rechten Wandas gehörte auch das Martern des Gesponses bis zum Tode.

2003 ist Graz nicht nur Kulturhauptstadt Europas, sondern auch theoretische Hochburg der Sado-Masochisten. Eine Hommage an die selbst ebenfalls schreibende Wanda Sacher-Masoch ist eines der Großprojekte des Kulturjahres, schrieb doch Wandas devoter Mann den 1870 erschienenen Trendsetter für SM-Anhänger, eben "Venus im Pelz", in Graz.

Die Künstlerin Irene Andessner, bekannt für Porträts historischer Frauen, stellt in der Aktion "Wanda SM" vier Eckpfeiler masochistischer Inszenierungen dar und greift als reinkarnierte Wanda bis 25. Mai selbst zur Peitsche.

Wanda blieb als Literatin zeitlebens im Schatten ihres berühmten Mannes. Die Rolle der "grausamen Frau" war eine für ihren Mann inszenierte, in einer Zeit, in der die realen Machtverhältnisse eher umgekehrt waren. In ihrer "Lebensbeichte", die im Rahmen des Schwerpunktes von Graz 2003 wieder aufgelegt wurde (Belleville Verlag), bewies sie rückblickend auf ihr ungewöhnliches Leben, dass sie mehr Talente hatte als jenes, dem Gatten als Domina zu gefallen. Wanda Sacher-Masoch ist trotzdem als Letztere, also als Objekt, nicht aber als Schriftstellerin in die Geschichte eingegangen. Andessners "Hommage" ändert daran wenig: Anhand der Projektionsfläche Wanda wird Sado-Masochismus bebildert.

Dabei doppeln sich die Rollenspiele wie eine SM-Endlosschleife, in der die Herrin ihre Langeweile schwer verbergen kann: Andessner spielt Rümelin, die Wanda spielen muss, während der Künstler Piotr Dluzniewski Sacher-Masoch spielt, der als Severin den Sklaven aus "Venus im Pelz" gibt. Die in eineinhalbjähriger Arbeit entstandene Videoinstallation im Dom im Grazer Schlossbergs ist als Kern von "Wanda SM" gedacht.



Leiden . . .

Das Verfolgen der Sequenzen "Der Vertrag", "Das Idealbild", "Die Rolle" und "Die Macht" lässt die Zuseher durch schlechte Tonqualität und langatmige Rituale bestenfalls unfreiwillig mitfühlen, was Wanda meint, wenn sie Severin klar macht, dass der Mensch an sich zum Leiden geboren sei. Nebenbei kann man auf 64 Monitoren Dluzniewski live dabei beobachten, wie er in einem Verlies Befehlen Andessners folgend Fetischzeichnungen anfertigt. Wer sich selbst betätigen möchte, kann im traditionsreichen Hotel Erzherzog Johann ein Wanda-Sacher-Masoch-Zimmer buchen.

Die echte Wanda dürfte die Peitsche und das temperaturunabhängige Tragen von Pelzen nach elf Jahren endgültig satt gehabt haben: Sie zog mit ihrem Geliebten nach Paris und ließ sich scheiden. (DER STANDARD, Printausgabe, 26./27.4.2003)


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