Salzburger Nachrichten am 23. Juni 2006 - Bereich: Kultur
Adeles neue Heimat

Ein Ausflug in die neue Heimat von Klimts "Adele" macht sicher: New York gehört nach wie vor zu den aufregenden Zentren der Bildenden Kunst.

Wolfgang MinatyNew York (SN). Der Verkauf des teuersten Gemäldes der Welt, der "Goldenen Adele" von Gustav Klimt, an das New Yorker Museum "Neue Galerie" hat gezeigt, dass der Puls der Kunst in Manhattan schlägt. Ein Streifzug durch die Museen und Galerien in New York belegt, wie lebendig die Szene ist.

New York ist schnell. Eben noch war Chelsea trendy, jetzt ist es Williamsburg drüben in Brooklyn, aber das wird auch schon wieder überrundet: Heute ist Dumbo turbo. Das ist ein Viertel zwischen der Brooklyn- und der Manhattan-Brücke. Nicht nur zwischen, sondern auch darunter, also direkt am East River, wo die Brücken in schwindelnder Höhe über die Dächer gleiten - in einer Gegend Brooklyns, wo Künstler und Galeristen die Mieten noch bezahlen können.

Hier also, in diesem Dumbo ("Down Under the Manhattan Bridge Overpass"), haben sie sich eingenistet: mit der Front- und Water Street sozusagen als Taifun-Auge. Die jüngsten Zählungen kommt auf 31 Galerien. Jeden Monat scheint eine weitere dazuzukommen. Sie scheren sich einen Teufel um saubere Entrees und bieten Kunst fast Tür an Tür: Traditionelles, Provokantes, Gängiges, Sperriges - ein Dorado für Entdeckungen.

In Brooklyn schnappt man sich am besten ein Taxi nach Williamsburg, schaut bei den Senkrechtstartern unter den Galerien, "Roebling Hall" und "Pierogi", vorbei (letztere hat kürzlich eine Filiale in Leipzig eröffnet) und fährt weiter nach Long Island City. "P.S.1" heißt die Zauberformel für junge Kunst: ehemals Mädchenschule, heute Ableger des legendären "MoMA", des Museum of Modern Art. Als Chef-Kurator stöbert der Berliner Klaus Biesenbach in New Yorker Ateliers und in den Hinterhöfen der globalen Kunstszene herum. Heraus kommen Ausstellungen, die, wie in diesem Sommer mit Johanna Billing oder John Lurie (bis 14. August), vom Heizungskeller bis unters Dach zwingende bis zwanghafte Kunst bringen, die nicht selten wie Fegefeuer wirkt.

Natürlich sollte man auch nach Manhattan ins Haupthaus des MoMA, das seit seiner neuesten Verjüngungskur prächtiger denn je aussieht und das in einer großen Ausstellung, die gerade aus Paris kommt, den dadaistischen Wurzeln und Verwicklungen in Zürich, Köln und anderswo nachspürt (bis 11. September).

Das Gerücht, dass der andere Klassiker der Moderne, das Guggenheim Museum, wegen Baufälligkeit quasi leergeräumt sei, ist falsch. Richtig ist, dass der knapp 50-jährige Schneckenbau von Frank Lloyd Wright bis 2007 saniert wird, weshalb 200 Meisterwerke eingepackt und vom 21. Juli bis zum 7. Jänner in Bonn gezeigt werden. Aber ein anständiger Rest, von Pissarro bis Chamberlain, ist immer noch zu sehen, begleitet von einer eindrucksvollen Retrospektive der im Irak geborenen Architektin Zaha Hadid (bis 25. Oktober), von der solche Geniestreichs wie die Sprungschanze in Innsbruck oder das BMW-Werk in Leipzig stammen.

Nur wenige Minuten entfernt lockt die "Neue Galerie", die neue Heimat von Klimts "Adele". Allein das Café Sabarsky, das echt Wiener Charme versprüht, lohnt den Eintritt, erst recht der Bestand von ausgesucht schönen Werken von Beckmann, Schiele, Klimt & Co., also ausschließlich deutschen und österreichischen Künstlern des 20. Jahrhunderts, deren aktuelle Neuhängung bis zum 9. Oktober zu sehen ist. Ein paar Schritte weiter warten die Museumsmaschine des "Metropolitan" mit den Mayas (bis 10. September) und die bezaubernde "Frick Collection", aber auch das "Whitney Museum", das sich zum 75-jährigen Bestehen eine Superschau mit US-Kunst des 20. Jahrhunderts gönnt (bis 3. September).

Zum Schluss: Eintritt frei in ein Schatzhaus der Sonderklasse! Nach dreijährigem Dornröschenschlaf ist im Mai die Morgan-Bibliothek wieder erwacht. In dem lichtdurchfluteten Umbau von Renzo Piano beugt man sich devot über Dürer-Zeichnungen, Galilei-Autographe und Mozart-Noten bis hin zu Bob Dylans "It Ain't Me Babe" - von 350.000 gehüteten Objekten eine wahrhaft kostbare Auswahl (bis 12. November).

New York ist schnell. Aber so schnell kommt eine derartige Ausstellung nicht wieder zusammen.