Ein sehr persönlicher Film hat am Wochenende in Graz den
neuen Diagonale-Preis in der Kategorie Dokumentarfilm
gewonnen, ex aequo mit einem zweiten: "Exile Family Movie" ist
eine Dokumentation, die der Exil-Iraner Arash zwölf Jahre lang
gedreht hat, über die Diaspora seiner eigenen Familie.
Videobotschaften der Verwandten aus der alten Heimat, die
Erinnerungen seines Vaters an die Haft im Iran, ein heimliches
Familientreffen der Zerstreuten in Mekka, als Pilger getarnt:
Arashs filmisches Familienalbum ist sehr nah an den
Protagonisten, sehr intim, sehr persönlich und dadurch
berührend.
Den Doku-Preis teilt sich der Film mit
"Babooska" von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Der Film handelt
von einem oberitalienischen Wanderzirkus. Ein Jahr lang haben
die Filmemacher die Zirkusfamilie immer wieder besucht und das
nomadische Leben dokumentiert. "Nichts ist hier spektakulär -
alles ist hier sehenswert" sagte die Jury in ihrer Begründung.
Ebenso wenig spektakulär war die Entscheidung für den
besten österreichischen Spielfilm: Der Preis für Hanekes
"Caché" ist wohlverdient, wenn auch nicht unbedingt
überraschend. Leider war Michael Glawoggers "Slumming", der im
Februar auf der Berlinale Premiere hatte, nicht in Graz zu
sehen - eine Entscheidung des Verleihs, um das Presse-Echo zum
Filmstart im Herbst nicht abzuschwächen.
Bei vielen
Filmen gab es für das Publikum die Möglichkeit, nach der
Vorstellung mit den Filmemachern zu sprechen. Dies wurde gerne
und ausgiebig in Anspruch genommen. Durch die weniger knappe
Programmierung war heuer dafür auch mehr Zeit.
Plattform für Diskussion
Die
Diagonale war aber auch dieses Jahr ein Ort für lebhafte
Diskussionen: am kontroversiellsten über den ORF.
Offensichtlich herrscht ein großes Bedürfnis nach Dialog in
der Filmszene. Diagonale-Intendantin Birgit Flos kündigte an,
eine Plattform für Gespräche auch während des Jahres
etablieren zu wollen.
Kritik am
ORF
Harte Worte musste Fernsehfilmchef Heinrich Mis
stellvertretend für den ORF einstecken. Dokumentarfilmer
Hubert Sauper ("Darwin's Nightmare") warf dem ORF arrogante
Haltung und Publikumsverblödung vor. Filmemacherin Andrea Dusl
merkte kritisch an, sie wisse auf Grund der Berichterstattung
mehr Bescheid über Markus Rogans nackten Oberkörper als über
den österreichischen Film. Durch die Programmauswahl des ORF
gebe es Menschen, die "gar nicht wissen, dass sie etwas
anderes sehen wollen, weil sie nichts anderes
kennen."
vom 27.03.2006 |