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15.02.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Xenia Hausner: Sie schminkt, dringt ein, spült weich
VON ALMUTH SPIEGLER
Xenia Hausner im Kunsthaus. Die 30 neueren Bilder sind nicht nur "Glücksfälle".

Es ist ja auch wirklich ärgerlich. Wo es eigentlich allein um ihre Kunst gehen sollte, wird frau als erfolgreiche Malerin plötzlich selbst zur Projektionsfläche schwüler Selbstverwirklichungs-Teekränzchen-Träume älterer Ladys. Diese Rolle dann noch freundlich zu erfüllen, daran denkt Xenia Hausner allerdings wohl nicht einmal in ihren Träumen. Und bedient dieses Klischee in ihrer störrisch-launischen Verweigerungspose dann doch wieder. Interessant zu beobachten bei der Presse-Präsentation von 30 neuen Großformaten der Künstlerin im Kunsthaus Wien.

"Immer wieder dasselbe", stöhnt sie dann. Diese ewigen Fragen nach ihren Modellen, ob sie auch Fremde anspricht, wie sich die von ihr gemalten Frauen denn fühlen - und ob solche Fragen eigentlich nur Künstlerinnen gestellt werden. Im Hintergrund von Xenia Hausners öffentlicher Rezeption scheint unverdrossen die Gier nach Privatem, nach Anekdoten zu wabern.

Dabei sind die pastosen Acrylbilder im Durchschnitt gar nicht so übel. Hausner hat ihren eigenen, etwas hölzernen Stil gefunden, eine Art Retro-Pop-Expressionismus, auf dessen nicht zu leugnende Wirkung sie konsequent vertraut. Kraftvoll trägt sie intensive Acrylfarben auf Hartfaserplatten auf, unergründlich blicken einem von dort schöne Unbekannte mit großen Augen und perfekt roten Lippen an, die einstigen Räume im Hintergrund sind zu mehr oder weniger abstrakten Tapetenmustern verflacht.

Hier geht es um Zwischenmenschliches, um einen sinnlichen Augenblick, dem man sich durch den unverfroren oft angewandten alten Trick mit dem Gegenblick nicht so leicht entziehen kann. Ein Effekt, den man spätestens seit Manets genialer "Olympia" kennt. Wo man sich aber trotzdem fangen lässt, das sind Hausners beste Bilder: Die verspielt ineinander versenkten Mädchen in "Amour Fou". Oder die an Degas erinnernden prächtig erschöpften Tänzerinnen in "Meisterklasse". Dass Malerei hier aber nicht einfach Malerei sein darf, sondern teils mit Karton-Pflastern beklebt oder bewusst außerformatig vergrößert wird, wirkt manieriert und soll wohl auf historische Diskurse verweisen, über die man hier nicht schon wieder nachdenken möchte.

Noch schwieriger aber wird es bei Hausners jüngster (Parallel-)Entwicklung, einem ins süßliche abdriftenden Amalgam aus Malerei und Fotografie. Die nötige Distanz, in ihrer Malerei durch eine gewisse Herbheit erzeugt, scheint bei den Fotoübermalungen und Fotoeinarbeitungen durch einen an David Hamilton erinnernden Weichzeichner fortgespült. Ängstlich werden hier die sonst so heftig herausgearbeiteten Gesichter geschminkt, wird den Wangen ein rosa Hauch, den Lippen Farbe verpasst. Von einigem Humor zeugt es immerhin, wenn etwa in "In Flagranti" ein ins Bild gemalter oranger Wulst à la Franz West fast pornografisch in die Mädchen-Idylle eindringt.

Ganz und gar kein "Glücksfall", so der Ausstellungstitel, sind aber zwei Sujets, die abgeschmackter nicht sein könnten: Eine verzichtbar späte 9/11-Aufarbeitung aus 2005, wo Hausner Mutter und Kind erschrocken auf ein Flugzeugtriebwerk starren lässt. Und ein stoisches Selbstporträt mit an der Schläfe angesetzter Pistole. Hier wird die Wirkung von Autobiografischem und Schock allzu berechnend und routiniert eingesetzt. Wie schonungslos mit der Bedrohung eines bekannten Selbstbildes umgegangen werden kann, zeigt derzeit Maria Lassnig im Grazer Kunsthaus: "Du oder ich" heißt das Bild von 2005, indem sie nackt und unförmig sich selbst und den Betrachter gleich dazu in den Abgrund blicken lässt.

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