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20.02.2004
Jenseits von
Politik
DAS MOMA IN BERLIN
Von
Bernhard Schulz
Endlich öffnen sich die Türen der Neuen
Nationalgalerie. Vom heutigen Freitag an gastiert das New Yorker
Museum of Modern Art mit seiner erlesenen Auswahl von
Meisterwerken in Berlin. Die Erwartung des Publikums ist hoch – es
erwartet, das Schönste und Bedeutendste zu sehen, das die Kunst
der Moderne hervorgebracht hat.
Keine Frage: „MoMA
in Berlin“ ist das Kulturereignis des Jahres 2004. Es ist
vielleicht sogar das Kulturereignis des Jahrzehnts. Denn beim
Gastspiel des international bekanntesten amerikanischen Museums in
der deutschen Hauptstadt geht es um mehr als um den Besuch von 200
Meisterwerken.
Im Laufe der Zeit immer stärker und zuletzt
durch die Schirmherrschaft der Außenminister Powell und Fischer
unterstrichen, geht es auch um eine politische Geste. Der Gedanke
dieser Ausstellung, betonen die Veranstalter, sei entstanden
mitten im tiefen Tal der deutsch-amerikanischen Beziehungen in
Sachen Irakkrieg. Es solle ein Zeichen gesetzt werden für die
Intensität und Dauerhaftigkeit der Beziehungen.
Damit wird
die Ausstellung in einer Weise belastet, die der Sache selbst
zuwiderläuft. Denn das Museum of Modern Art lässt sich nicht als
Kulturbotschafter der Vereinigten Staaten vereinnahmen. Dem Geist
seiner wagemutigen Gründer nach darf es eine solche Rolle gar
nicht spielen. Das MoMA war stets der Inbegriff der Weltoffenheit
und Internationalität der Moderne, und das von seiner Eröffnung
1929 an, als man in Europa noch in „nationalen Schulen“ der Kunst
dachte. Deshalb kehren jetzt Picasso, Matisse und Modigliani in
die Nationalgalerie ein, dazu Vertreter der Pariser Avantgarde,
die sich nie um nationale Herkunft kümmerte, oder Max Beckmann,
der als deutscher Exilant erst in den Niederlanden und dann in den
USA Aufnahme fand.
Natürlich weckt der Besuch des New
Yorker Museums in Berlin tiefere Empfindungen, als das anderenorts
der Fall wäre. Das Wort von den „Rosinenbombern der Kunst“ geht am
Ereignis vorbei, weist aber auf einen wichtigen Umstand. Ja, die
Vereinigten Staaten haben den Deutschen nach Hitlerreich und
Weltkrieg Kultur nahe gebracht – die Kultur der Demokratie,
genauer die der modernen Massendemokratie einer
Wohlstandsgesellschaft. Gemälde des amerikanischen
Nachkriegs-Künstlerstars Jackson Pollock, die jetzt zu den
Höhepunkten der MoMA-Show zählen, waren vor bald fünzig Jahren im
ausgepowerten West-Berlin zu sehen, als Signale einer fernen,
gerade erst selbst mühsam zurückgewonnenen Freiheit.
Moderne Kunst gleich Demokratie gleich Atlantische
Allianz: Derlei simple Gleichungen müssen wir Heutigen nicht mehr
aufmachen. Das Fundament der deutsch-amerikanischen Beziehungen
ist über die Jahrzehnte hinweg stabil genug angewachsen, um
Verwerfungen der Tagespolitik zu ertragen und
auszugleichen.
So lenkt das MoMA-Gastspiel den Blick zurück
auf die Berliner Verhältnisse. Der New Yorker Gründungsdirektor
Alfred Barr hat die Anregung zu einem Museum der modernen Kunst
nicht zuletzt in Berlin gewonnen. Wo steht die Nationalgalerie
heute? Kann sie sich mit dem New Yorker Haus messen?
Soll
das New Yorker Gastspiel eine bleibende Wirkung haben, dann die
der Ermutigung: zum selbstbewussten Auftritt der Berliner Museen.
Und zwar in jenem Geiste der Internationalität, der die Gründer
des Museum of Modern Art vor 75 Jahren beseelte. In diesem Sinne
ist das New Yorker Gastspiel ein wunderbares Zeugnis der
deutsch-amerikanischen Freundschaft – fernab, zum Glück, aller
tagespolitischen Indienstnahme.
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