Kommerz als Thema der Kunst | |
Kunsthallen-Direktor Max Hollein zeigt 70 künstlerische Positionen
zum Thema Einkaufen. |
Die Fassade des Frankfurter "Kaufhofs"
ist am Mittwoch vollständig hinter einer 2200 Quadratmeter großen
Plakatwand verschwunden. Zwei durchdringende Augen starren den Passanten
von oben herab an. Darüber ein Schriftzug: "Du willst es, Du kaufst es, Du
vergisst es." Die Ausstellung "Shopping", die von Samstag an in der Schirn
zu sehen ist erstreckt sich weit über die Kunsthalle hinaus - dorthin, wo
das Thema der Aufsehen erregenden Kunstschau angesiedelt ist: in die
Konsumtempel der Mainmetropole. Aussenstellen
Zu sehen sind rund 70 künstlerische Arbeiten, die Position beziehen zum
Thema Einkaufen. Nach Einschätzung von Schirn-Direktor Max Hollein handelt
es sich um die weltweit erste Ausstellung, die sich ausschließlich mit dem
Zusammenhang von Konsumkultur und moderner Kunst beschäftigt. Einige
Kunstwerke wurden eigens für die Schirn angefertigt, so auch die
Installation am "Kaufhof" der amerikanischen Konzeptkünstlerin Barbara
Kruger. Am Flughafen erwartet den Reisenden die Installation "1 Euro
Market" von Surasi Kusolwong. Sie besteht aus 4000 billigen asiatischen
Plastikteilen, die als Kunstwerk bewundert, aber auch gekauft werden
können. Ware profitiert von Kunststrategien Der junge österreichische Schirn-Chef Max Hollein will die
wechselseitige Beeinflussung von Kunst und Kommerz beleuchten. Zum einen
sei "der allgegenwärtige Shoppingbetrieb" für Künstler "Provokation und
Inspiration zugleich". Zum anderen zehre die Ästhetik der Konsumwelt, die
Inszenierung der Ware, stets auch von künstlerischen Arbeiten.
Kommerz in der Kunstgeschichte Ein Thema der Kunst wurde der Kommerz zu Beginn des vorigen
Jahrhunderts. Fotografen wie Eugène Atgets lichteten mit halb
dokumentarischem, halb künstlerischem Anspruch die Schaufenster der
Metropolen ab. Der Surrealismus emanzipiert sich vom rein Darstellenden,
interpretiert beispielsweise Schaufensterpuppen zugleich materiell wie
erotisch. Die Pop-Art "umarmte die Konsumkultur", wie Hollein es
ausdrückt. Andy Warhol adelte Alltagsgegenstände wie Suppendosen, indem er
sie künstlerisch überhöhte, ironisierte sie aber auch durch
Wiederholung. Der amerikanisch Supermarkt Von der Pop-Art aus ist es nur ein kleiner Schritt zu noch radikaleren
Umarmungen des Konsums: Künstler bauten in Galerien und Museen Supermärkte
oder erklärten gleich Kaufhäuser zur Kunst. Für "Shopping" hat die
Schirn-Kunsthalle sogar eine Ausstellung aus dem New York des Jahres 1964
nachgebaut, die unter dem Namen "The American Supermarket" in der Ästhetik
eines Kaufhauses Pop-Art-Objekte verkaufte. Die Protagonisten der
Fluxus-Bewegung hingegen kritisierten die Kommerzialisierung der Kunst und
führten sie mir dem Verkauf von Nonsens-Artikeln ad absurdum. Kühle Ironie der 90er Jahre
In den späten 90ern dominierten ironische Bearbeitungen des Themas:
Jeff Koons titulierte in Serie produzierte Staubsauger als Kunstwerke und
stelle sie unter seinem Namen aus. Sylvie Fleury vergoldete Einkaufswagen.
Die Einkaufswagen im realen "Kaufhof" werden indessen meist unbemerkt
zwischen den Vorboten der Ausstellung durchs Kaufhaus geschoben. Den
inflationär gestreuten Plakaten mit dem umgekehrten Schlussverkaufs-Slogan
"Alles muss rein!" (in die Ausstellung "Shopping") schenkten die Käufer am
Mittwoch keine Aufmerksamkeit. Tipp: Ausstellung "Shopping" in der Kunsthalle Schirn, Frankfurt, geöffnet
Sonntag und Dienstag 11.00 bis 19.00 Uhr und Mittwoch bis Samstag 11.00
bis 22.00 Uhr. Link: Kunsthalle
Schirn | ||||||||
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