Kommerz als Thema der Kunst

Kunsthallen-Direktor Max Hollein zeigt 70 künstlerische Positionen zum Thema Einkaufen.
Von Sandra Trauner / dpa.


Die Fassade des Frankfurter "Kaufhofs" ist am Mittwoch vollständig hinter einer 2200 Quadratmeter großen Plakatwand verschwunden. Zwei durchdringende Augen starren den Passanten von oben herab an. Darüber ein Schriftzug: "Du willst es, Du kaufst es, Du vergisst es." Die Ausstellung "Shopping", die von Samstag an in der Schirn zu sehen ist erstreckt sich weit über die Kunsthalle hinaus - dorthin, wo das Thema der Aufsehen erregenden Kunstschau angesiedelt ist: in die Konsumtempel der Mainmetropole.

Aussenstellen

Surasi Kusolwong,
Surasi Kusolwong, "1 Euro Market (Shop till you fly)" / ©Bild: N. Miguletz

Zu sehen sind rund 70 künstlerische Arbeiten, die Position beziehen zum Thema Einkaufen. Nach Einschätzung von Schirn-Direktor Max Hollein handelt es sich um die weltweit erste Ausstellung, die sich ausschließlich mit dem Zusammenhang von Konsumkultur und moderner Kunst beschäftigt. Einige Kunstwerke wurden eigens für die Schirn angefertigt, so auch die Installation am "Kaufhof" der amerikanischen Konzeptkünstlerin Barbara Kruger. Am Flughafen erwartet den Reisenden die Installation "1 Euro Market" von Surasi Kusolwong. Sie besteht aus 4000 billigen asiatischen Plastikteilen, die als Kunstwerk bewundert, aber auch gekauft werden können.

Ware profitiert von Kunststrategien

Der junge österreichische Schirn-Chef Max Hollein will die wechselseitige Beeinflussung von Kunst und Kommerz beleuchten. Zum einen sei "der allgegenwärtige Shoppingbetrieb" für Künstler "Provokation und Inspiration zugleich". Zum anderen zehre die Ästhetik der Konsumwelt, die Inszenierung der Ware, stets auch von künstlerischen Arbeiten.

Andreas Gursky,
Andreas Gursky, "99 Cent II, Diptychon" (Zum Vergrößern anklicken) / ©Bild: Galerie Monika Sprüth

Kommerz in der Kunstgeschichte

Ein Thema der Kunst wurde der Kommerz zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Fotografen wie Eugène Atgets lichteten mit halb dokumentarischem, halb künstlerischem Anspruch die Schaufenster der Metropolen ab. Der Surrealismus emanzipiert sich vom rein Darstellenden, interpretiert beispielsweise Schaufensterpuppen zugleich materiell wie erotisch. Die Pop-Art "umarmte die Konsumkultur", wie Hollein es ausdrückt. Andy Warhol adelte Alltagsgegenstände wie Suppendosen, indem er sie künstlerisch überhöhte, ironisierte sie aber auch durch Wiederholung.

Der amerikanisch Supermarkt

Von der Pop-Art aus ist es nur ein kleiner Schritt zu noch radikaleren Umarmungen des Konsums: Künstler bauten in Galerien und Museen Supermärkte oder erklärten gleich Kaufhäuser zur Kunst. Für "Shopping" hat die Schirn-Kunsthalle sogar eine Ausstellung aus dem New York des Jahres 1964 nachgebaut, die unter dem Namen "The American Supermarket" in der Ästhetik eines Kaufhauses Pop-Art-Objekte verkaufte. Die Protagonisten der Fluxus-Bewegung hingegen kritisierten die Kommerzialisierung der Kunst und führten sie mir dem Verkauf von Nonsens-Artikeln ad absurdum.

Kühle Ironie der 90er Jahre

"Golden supermarket cart" / ©Bild: Sylvie Fleury

In den späten 90ern dominierten ironische Bearbeitungen des Themas: Jeff Koons titulierte in Serie produzierte Staubsauger als Kunstwerke und stelle sie unter seinem Namen aus. Sylvie Fleury vergoldete Einkaufswagen. Die Einkaufswagen im realen "Kaufhof" werden indessen meist unbemerkt zwischen den Vorboten der Ausstellung durchs Kaufhaus geschoben. Den inflationär gestreuten Plakaten mit dem umgekehrten Schlussverkaufs-Slogan "Alles muss rein!" (in die Ausstellung "Shopping") schenkten die Käufer am Mittwoch keine Aufmerksamkeit.

Tipp:

Ausstellung "Shopping" in der Kunsthalle Schirn, Frankfurt, geöffnet Sonntag und Dienstag 11.00 bis 19.00 Uhr und Mittwoch bis Samstag 11.00 bis 22.00 Uhr.

Link: Kunsthalle Schirn

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